08. März 2023 - Heute ist Internationaler Frauentag. Zeit, mal wieder an sie zu denken: die Frauen. Von ihnen leben derzeit knapp eine Million mehr in Deutschland als Männer. Trotzdem werden sie noch immer benachteiligt – nicht zuletzt im Bereich Gesundheitsversorgung.

Bisher gilt nämlich der Mann als Blaupause in Sachen Gesundheit: klinische Studien, Diagnosen, Medikamententests, Behandlungen, Medikation – alle Bereiche sind auf den Mann ausgerichtet. Die erzielten Erkenntnisse werden einfach auf die Frau übertragen. Dass Erkrankungen bei Frauen und Männern aber unterschiedlich verlaufen und sich in anderen Symptomen äußern können, hat zuletzt Covid-19 gezeigt.

Das Coronavirus hat stärkere Auswirkungen auf Männer 

So ist der Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus bei Männern häufiger schwer, wohingegen das weibliche Immunsystem das Virus oft besser in den Griff bekommt. Dank ihrer Chromosomenstruktur und hormoneller Unterschiede können Frauen schneller Antikörper bilden und virale Infekte so besser abwehren. Dafür erkranken sie häufiger an Autoimmunerkrankungen. Hinzu kommt eine sehr unterschiedliche körperliche Konstitution: Einige Organe sind bei Frauen kleiner, der Stoffwechsel läuft anders ab, ebenso wie die Temperaturregulierung, die Verdauung ist bei Frauen träger, was die Gabe von Medikamenten beeinflusst, der Körperfettanteil ist bei Frauen höher, um nur einige wenige Beispiel zu nennen.

Der weibliche Herzinfarkt

Bereits in den 1980er Jahren fiel Mediziner:innen auf, dass sich Herzinfarkte bei Frauen anders bemerkbar machen. Bei Männern durch Schmerzen in der Brust und in den Armen; bei Frauen durch Schmerzen zwischen den Schulterblättern, im Nacken, im Kopf sowie Übelkeit und Schweißausbrüche. Symptome, die auch oft in den Wechseljahren auftreten. Frauen erkennen einen Herzinfarkt also selten als einen solchen. Gepaart mit Voreingenommenheit seitens der Ärzt:innen, die Herzinfarkte ebenso eher bei Männern diagnostizieren, kommt es häufig zu Fehldiagnosen und einem erhöhten Sterberisiko für Frauen.

Die Entwicklung geschlechtersensibler Medizin

Obwohl sich aus diesen Beobachtungen schon vor rund 40 Jahren die geschlechtersensible Medizin entwickelte, die biologische Unterschiede und auch soziokulturelle Einflüsse bei der Behandlung und in der medizinischen Forschung berücksichtigt, hat sich lange nicht wirklich was getan. In Deutschland etablierte sich geschlechtsspezifische Medizin erst ab Mitte der 1990er Jahre als Fachgebiet. Und obwohl es seit 2011 in Europa Richtlinien gibt, dass Frauen in Studien inkludiert werden müssen, sind weiterhin maximal ein Drittel der Proband:innen weiblich. Zyklusbedingte Hormonschwankungen und mögliche Schwangerschaften machen Frauen als Studienteilnehmerinnen unattraktiv. Auch in der Lehre sind geschlechtsspezifische Unterschiede in der Behandlung weiterhin ein Randthema.

Da musste also eine Pandemie kommen, um die deutschen Politiker:innen dazu zu animieren, das Thema etwas beherzter anzugehen. Im Koalitionsvertrag 2021-2023 steht: "Wir berücksichtigen geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention und in der Forschung und bauen Diskriminierungen und Zugangsbarrieren ab. Die Gendermedizin wird Teil des Medizinstudiums, der Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe werden." Ein hehrer Plan – aber nicht weitreichend genug, finden die Verfasser:innen eines offenen Briefes vom Februar 2022. Sie fordern Standards, um Gender-Data-Gaps zu schließen.

Es liegt also noch ein weiter Weg vor uns, bis auch in der Medizin geschlechtliche Vielfalt berücksichtigt wird, um eine optimale Behandlung zu garantieren. Für Frauen ist es ratsam, gegenüber Ärzt:innen als mündige Patientinnen aufzutreten, die Sorgen klar zu formulieren und durchaus kritische Rückfragen zu stellen, beispielsweise ob die verordnete Medikation Gewicht und die Einnahme anderer Medikamente, wie die Pille, berücksichtigt.

Interessante Einblicke in das Thema Gendermedizin findest du auch in unserer Podcast-Folge mit Dr. Franziska Rubin: "Bessere Medizin für Frauen mit Dr. Franziska Rubin"