09.Februar 2021 - Zu viel, zu unübersichtlich, zu widersprüchlich: So empfindet mehr als die Hälfte aller Deutschen das mediale Angebot an Gesundheitsinformationen. Forschende der Universität Bielefeld haben für ihre Untersuchung mehr als 2000 Erwachsene ab 18 Jahren zu ihrem Umgang mit Informationen zur Gesundheit befragt. 

Das Team um Professorin Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld und Professor Klaus Hurrelmann von der Hertie School Berlin hat nach der Auswertung der Daten festgestellt, dass große Teile der Bevölkerung nicht ausreichend vorbereitet ist, um Gesundheitsrisiken richtig einzuschätzen, zu beurteilen und im Alltag umzusetzen. Das ist besonders bedenklich im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie.

Zunahme an Falsch- und Fehlinformationen

"Ein Vergleich unserer Erhebungen zwischen 2014 und 2020 zeigt, dass sich die Gesundheitskompetenz sogar noch verschlechtert hat", sagt Studienleiterin Schaeffer. Der Grund für den Anstieg liege den Angaben der Befragten zufolge in der Menge, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der Informationen, erläutert die Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin. Hinzu komme, dass seit der Corona-Pandemie auch Falsch- und Fehlinformationen zu Gesundheitsthemen zugenommen hätten.

Drei Viertel der Befragten finden es schwierig, Informationen zu Gesundheitsthemen richtig einzuschätzen. Besonders herausfordern ist es demnach, zu erkennen, ob die Informationen in Verbindung mit kommerziellen Interessen stehen. 76 Prozent halten es beispielsweise für schwierig zu beurteilen, ob Informationen zu Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig sind. 61 Prozent der Befragten fühlen sich überfordert, Informationen aus den Medien abzulesen, um sich vor Krankheiten zu schützen. 56 Prozent tun sich damit schwer, Informationen zu finden, wie man mit psychischen Problemen umgeht, schreiben die Forschenden.

Kein Durchblick mehr

Noch mehr Schwierigkeiten diesbezüglich haben Menschen mit niedrigem Bildungsgrad. "Gesundheitsinformationen sind inzwischen offenbar so vielfältig und unübersichtlich geworden, dass da nur noch Menschen mit einer guten Ausbildung durchblicken können. Hier baut sich eine neue Form von gesundheitlicher Ungleichheit auf", betont Professor Hurrelmann. Er plädiert dafür diese Entwicklung ernst zu nehmen, weil eine geringe Gesundheitskompetenz viele negative Folgen habe. Sie sei mit ungesundem Verhalten wie geringer Bewegung, schlechter Ernährung und häufigerem Übergewicht verbunden und dementsprechend mit mehr Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und intensiverer Nutzung von Notfalldiensten.


Erstmals digitale Gesundheitskompetenz untersucht

Erstmals wurde auch die digitale Gesundheitskompetenz der Bevölkerung untersucht. Die Forschenden stellten fest, dass diese sehr schwach ausgeprägt ist. Rund 75 Prozent der in der Zusatzerhebung Befragten weisen hier eine geringe Kompetenz auf und sehen sich vor enorme Schwierigkeiten im Umgang mit digitaler Information gestellt. Insgesamt werden digitale Informationsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend genutzt. 36 Prozent der Befragten greifen nie auf sie zurück. Das gilt besonders für Menschen über 65 Jahre.

Corona-Pandemie erhöht Gesundheitskompetenz

Um sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, müssen sich Menschen im Gesundheitssystem zurechtfinden. Das wird vom Forscherteam als "navigationale Gesundheitskompetenz" bezeichnet. Nahezu vier Fünftel der Bevölkerung haben in diesem Bereich eine geringe Kompetenz und finden es schwierig, Informationen zum Gesundheitssystem zu verstehen. Schaefflr: "Eine solche Unübersichtlichkeit ist gerade in einer Pandemie problematisch, wenn Menschen zum Beispiel klären wollen, wo sie sich auf eine Infektion testen lassen können."

Mit einer Zusatzerhebung im Spätherbst 2020 erfasste das Forschungsteam Veränderungen der Gesundheitskompetenz während der Pandemie. Die Befragung zeigt, dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sich seither leicht verbessert hat. "Am Beispiel der Coronapandemie wird sichtbar, dass umfangreiche, verständliche und wiederholte Gesundheitsinformationen sich rasch auf die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung auswirken", fasst Schaeffer zusammen.

Weitere Informationen zum Thema Gesundheitsinformationen und einen ausführlichen Kommentar gibt es bei Gesundheit Aktiv