16. März 2021 - Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 wurde Homeoffice unter Büroarbeitern zu einer breit angelegten Arbeitsweise. Für die meisten Beschäftigten war diese Art der Arbeit echtes Neuland. Forschende der Technischen Universität Darmstadt haben sich des Themas angenommen, um die Situation der Beschäftigten sowie Chancen und Risiken der Arbeit im Homeoffice zu beleuchten. Dafür entwickelte das Team um Professor Andreas Pfnür gezielte Fragen für Bürobeschäftigte im Homeoffice, schreiben die Forschenden in einer Mitteilung

Insgesamt nahmen 952 Personen an den Befragungen teil, die in drei Abschnitten, im Juni, August und Oktober 2020 durchgeführt worden sind. Die Beschäftigten sollten auf Fragen: Wie und wo wird zu Hause gearbeitet? Wie nehmen Beschäftigte die Arbeit zu Hause wahr? Wie produktiv ist die Arbeit im Homeoffice und was entscheidet über deren Erfolg? antworten. Die Zusammensetzung der Befragten repräsentiere weitgehend die Bürobeschäftigten in Deutschland, betonen die Forschenden in der Schrift.

Arbeitsort ist entscheidend für Qualität des Homeoffice

Die Ergebnisse der Studie ergeben ein differenziertes Bild. Sowohl die Realität der Arbeit von daheim als auch deren Wahrnehmung in der Gesellschaft klaffen weit auseinander. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten gab den Befragungen zufolge an, zu Hause weniger produktiv zu arbeiten als im Büro. Je mehr Erfahrungen die Befragten über das Jahr 2020 hinweg mit dem Homeoffice sammeln konnten, desto deutlicher wurde dies. Zudem wird klar, dass sich Wissensarbeit weit weniger umfangreich von zu Hause aus erledigen lässt, als zumeist unterstellt wird.

Die Ergebnisse der Studie liefern als wichtigste Grund dafür, den Arbeitsort: "Wie Leute wohnen, sagt viel darüber aus, ob sie erfolgreich von zu Hause aus arbeiten können", sagt Professor Pfnür dazu. Die Wohnsituation sollte demnach der wichtigste Faktor sein, wenn Unternehmen entscheiden sollen, welche ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice erfolgreich tätig werden könnten.

"Die Wohnsituation ist aussagekräftiger als die Art des Jobs oder die Zahl der Kinder", führt Pfnür weiter aus. "Das hatten wir so nicht erwartet." Je zufriedener Befragungsteilnehmer mit ihrer Wohnsituation, der Lage und der Ausstattung der Wohnung waren, desto zufriedener und produktiver waren sie auch im Homeoffice. Doch es gibt weitere Faktoren, die das Homeoffice begünstigen. Vor allem komplexe, vielseitige Aufgaben und höhere Autonomie gingen mit guten Ergebnissen im Homeoffice einher. 

Homeoffice ist vor allem für Singles problematisch

Die Forschenden konnten auch erkennen, dass ältere, besserverdienende und beruflich erfahrene Beschäftigte erfolgreicher im Homeoffice arbeiten, als jüngere, unerfahrenere Arbeitnehmer. Das gleiche gilt für Vollzeitkräfte im Vergleich zu Teilzeitkräften. Vor allem Singles taten sich im Homeoffice besonders schwer, so das Ergebnis der Befragungen. Hier spielten Isolation, aber auch die berufliche Entwicklung eine Rolle. "Die direkte soziale Interaktion mit Kollegen, die Möglichkeit, von Älteren zu lernen und Karrierechancen sind im Homeoffice weniger stark ausgeprägt", erklärt Pfnür dazu. "Entsprechend fällt für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Stück Identifikation mit dem Job weg. Das sorgt auch für geringere Zufriedenheit mit dem Leben."

Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen deutlich, dass sich Büroarbeit nicht einfach in die eigenen vier Wände verlegen lässt und Büros auch in Zukunft nicht überflüssig sein werden. Zu beachten sei aber, dass eine breite Einführung der Arbeit von zu Hause aus, das Potenzial habe, die Gesellschaft zu spalten. Eine Homeoffice-basierte Arbeitswelt könne soziale Verwerfungen nach sich ziehen, wenn die öffentliche Hand und Arbeitgeber nicht gegensteuerten, warnt Pfnür.

Homeoffice könnte zum Statussymbol werden

"Homeoffice bereitet den Weg aller Bürobeschäftigten in eine Zweiklassengesellschaft", so Pfnür. Auf der einen Seite stünden Beschäftigte, die umfangreich zu Hause arbeiten könnten, weil sie es sich dort in Komfort gut gehen lassen könnten oder weil ihre Jobs entsprechend attraktiv wären. Auf der anderen stünden Personen, die in schlechteren Verhältnissen im Homeoffice wenig erfolgreich wären oder unter den Mehrkosten der Arbeit von daheim zu leiden hätten. "Homeoffice ist damit auf dem Weg zu einem Statussymbol für die Gewinner der neuen Arbeitswelten."

Die Erkenntnisse aus der Studie haben Implikationen für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Politik, Immobilienwirtschaft und Stadtplanung. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TU erarbeiten derzeit Empfehlungen für diese Gruppen. Zudem sollen auch Daten aus dem internationalen Raum ausgewertet werden.