20. April 2021 - Seit tausenden Jahren wird Bernstein als Schutz- und Heilmittel  eingesetzt - bis heute. Doch umfassende Studien dazu fehlen. Ein Forscherteam der University of Minnesota hat sich deshalb daran gemacht, die Wirkung des uralten Baumharzes auf bestimmte Bakterienarten im Labor zu untersuchen. 

"Wir wussten aus früheren Untersuchungen, dass es Substanzen in baltischem Bernstein gibt, die zu neuen Antibiotika führen könnten. Allerdings wurde das bisher nicht systematisch untersucht", sagt Elizabeth Ambrose. "Wir haben jetzt mehrere Verbindungen in baltischem Bernstein extrahiert und identifiziert, die Aktivität gegen grampositive, antibiotikaresistente Bakterien zeigen." 

Die Beweggründe für diese Forschungen liegen auch in den Wurzeln der Wissenschaftlerin. Während eines Familienbesuchs in Litauen sammelte sie Bernsteinproben und hörte Geschichten über die medizinische Verwendung des versteinerten Harzes. Die Ostseeregion enthält die weltweit größte Lagerstätte dieses besonderen Materials, das vor etwa 44 Millionen Jahren gebildet wurde. 

Natürliches Antibiotika der Bäume

Das Harz sickerte damals aus inzwischen ausgestorbenen Kiefern der Familie der Sciadopityaceae, die damals nahezu weltweit verbreitet waren. Harz ist das selbstgebildete "Antibiotikum der Bäume". Es diente damals wie heute der Abwehr gegen Angriffe von krankmachenden Mikroorganismen wie Bakterien, Viren, Pilze und sogar gegen pflanzenfressende Insekten. Die Eindringlinge verfangen sich im klebrigen Harz und können nicht eindringen. Manche von ihnen wurden über die Jahrtausende darin sogar konserviert. Sie sind dann stille Zeugen der Vergangenheit - und kostbare Raritäten. 

Für ihre Untersuchungen analysierten Elizabeth Ambrose und Connor McDermott handelsübliche baltische Bernsteinproben sowie einige derer, die Ambrose bei ihrem Familienbesuch in Litauen gesammelt hatte. Sie mussten zunächst aus den Bernsteinkieseln ein homogenes feines Pulver herstellen, das mit Lösungsmitteln extrahiert werden konnte. Mithilfe der sogenannten Gaschromatographie-Massenspektrometrie konnten dann Dutzende chemische Verbindungen identifiziert werden. Für die Forschenden besonders interessant waren dabei Abietinsäure, Dihydroabietinsäure und Palustrin, denn diese haben bekanntermaßen eine biologische Wirkung. 

Problem der Antibiotika-Resistenzen

Die Forschenden wollten nun wissen, ob diese organischen Verbindungen auch gegen Bakterien wirken, die die Gesundheit von Menschen angreifen. Hauptaugenmerk legten sie dabei auf Bakterienstämme, die als antibiotikaresistent gelten, wie zum Beispiel den methicillin-resistenten Staphylococcus aureus, der auch als MRSA oder umgangssprachlich als Krankenhauskeim bezeichnet wird. An ihm sterben schätzungsweise bis zu 20.000 Menschen deutschlandweit im Jahr. 

Das Forscher-Duo sah bei ihren Tests, dass die bioaktiven Stoffe, die auch im Bernstein vorhanden sind, zumindest einen Teil der Bakterien abtöteten. "Das wichtigste Ergebnis ist, dass diese Verbindungen gegen grampositive Bakterien aktiv sind, darunter auch resistente Stämme von Staphylococcus aureus", fasst McDermott zusammen. Gegen gramnegative Mikroben wirkten die Substanzen dagegen nicht. Eine Erklärung könnte sein, dass grampositive Bakterien eine weniger komplexe Zellwand als gramnegative Bakterien haben. "Dies impliziert, dass die Zusammensetzung der Bakterienmembran für die Aktivität der Verbindungen wichtig ist", so McDermott weiter. 

Nun sind die Forschenden dabei, eine noch existierende Baumart zu finden, bei denen die Inhaltsstoffe des Harzes denen von jahrtausendealten Bernsteinen sehr ähnlich ist. Erste Tests mit einer Regenschirmkiefer, die nur in Japan wächst, laufen. "Wir freuen uns, diese Untersuchungen weiter voranzutreiben", sagte Ambrose, die die Ergebnisse beim ACS Spring 2021 online vorstellte. "Abietinsäuren und ihre Derivate sind möglicherweise eine unerschlossene Quelle für neue Medikamente, insbesondere zur Behandlung von Infektionen durch grampositive Bakterien, die zunehmend gegen bekannte Antibiotika resistent werden", schließt die Wissenschaftlerin ihre Ausführungen