18. Mai 2022 - In der Physik ist Wärme eine Größe, die angibt, wie viel thermische Energie von einem Körper auf einen anderen Körper übertragen wird. Auch bei dem Begriff soziale Wärme geht es im Grunde genommen um einen Energieaustausch, allerdings auf zwischenmenschlicher Ebene.   

Der Potsdamer Sozialphilosoph Gerd Habermann erklärte in einem Vortrag 2017, dass "soziale Wärme" als Maß der menschlichen Anteilnahme am Nächsten, als Gefühlsbindung im Rahmen von Zugehörigkeitsgefühlen wie in einer Ehe, Familie Freundschaft, Heimat, Volk oder Nation zu verstehen sei. Diese persönlichen Bindungsgefühle an konkrete Gemeinschaften seien umso größer, je kleiner die Gruppe sei.  

Auch für weil's hilft! beinhaltet soziale Wärme die Gefühle von Zugehörigkeit und Sicherheit. Dazu gehört aber auch die Wahrnehmung, als Person mit allen Facetten angenommen zu werden. Soziale Wärme ist auch soziale Nähe. Es geht also, ganz ähnlich wie es in der Physik zu Wärme beschrieben wird, um ein Ab- oder Übergeben von Energie an jemand anderes.  

Was bedeutet, warmherzig zu sein? 

Jemand, der beispielsweise als warmherzig bezeichnet wird, ist jemand, der prosozial eingestellt, kooperativ und allgemein großzügig ist. “Warmherzig zu sein bedeutet, ein hohes Maß an Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Wohlwollen zu besitzen. Warmherzige Menschen sind gütig und liebevoll und versuchen, das Herz eines anderen Menschen zu berühren”, schreibt beispielsweise Yoga Vidya in seiner Worterklärung dazu. Alle beschriebenen Eigenschaften sind Persönlichkeitsmerkmale, die man quasi in die Wiege gelegt bekommt. Gleichzeitig ist es möglich, Warmherzigkeit zu entwickeln und sich als Persönlichkeitsmerkmal zu eigen zu machen. Die Grundvoraussetzung dafür ist, warmherzig sein zu wollen.   

Warmherzig zu sein und zu bleiben, ist besonders in Krisenzeit, wie wir sie alle seit mehr als zwei Jahren erleben, besonders herausfordernd – und gleichzeitig so wichtig. Offen und wohlwollend zu bleiben bei der ständig geführten Diskussion über Social Distancing und Maskentragen war für viele einfach nicht mehr möglich. Angst, Vorurteile und vorschnell gefestigte Meinungen haben aus vielen zuvor warmherzigen und zugewandten Menschen kaltherzige, distanzierte und verängstigte Personen werden lassen. Einige mussten das Ende von langjährigen Freundschaften verkraften. Und sogar innerhalb von Familien haben sich Pro- und Contra-Lager gebildet, die grundsätzliche Gefühle von Zugehörigkeit bis heute infrage stellen.   

Gleichzeitig ist in Deutschland eine sehr große Solidarität zur Ukraine und den Menschen, die wegen des Krieges ihr Land verlassen haben, zu spüren. Mit viel Engagement und offenen Armen werden die ankommenden Familien empfangen und in vielen Fällen von Privatpersonen untergebracht oder an die Hand genommen, um nicht nur sprachliche Hürden zu überwinden, sondern auch bürokratische Herausforderungen zu meistern. Wer vor dem Krieg flieht, in eine ungewisse Zukunft blickt und alles zurücklassen muss, der verliert Halt. Wenn diejenigen aber, dort, wo sie ankommen, schließlich herzlich willkommen geheißen werden, dann gibt es eine echte Chance, körperlich und psychisch gesund weiterleben zu können. 

 

Voraussetzungen für Warmherzigkeit

Doch zurück zur Warmherzigkeit. Wie kann ich diese trotz Krisen und Herausforderungen erlangen, beibehalten und weiterentwickeln? Der Dalai Lama schreibt dazu zum Beispiel: "Warmherzigkeit ist der Schlüsselfaktor für die Schaffung einer freudevollen Gemeinschaft und einer glücklicheren Welt. Sie führt zu einem Gefühl des Miteinanders und des Verbundenseins. Ich bin entschlossen, dazu beizutragen, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der das Gefühl für die Verbundenheit der Menschheit verankert ist – eine Gemeinschaft, in der die Tatsache, dass wir alle als Menschen gleich sind, wichtiger ist als der Glaube oder die Hautfarbe." 

Die Basis für Warmherzigkeit bilden also grundsätzliche Einstellungen, Werte und Ansichten eines Menschen. Doch, wer selbst bedürftig ist, kann auch nicht gut für andere da sein. Deshalb sind Selbstfürsorge, Selbstliebe und Selbstreflexion grundlegende Voraussetzungen, um zu einer warmherzigen Person zu werden oder eine solche zu bleiben.