24. August 2021 - Die Trennung der Krankenversicherungen in private und gesetzliche Versicherungen in Deutschland führt zu einer ungerechten Verteilung der medizinischen Versorgung. Der schnelle Zugang zu fachärztlicher Versorgung zum Beispiel bei der Terminvergabe und medizinische Leistungen, wie beispielsweise hochwertiger Zahnersatz hängt vom Versicherungsstatus der Patient*innen ab. Das führt zu einer Situation, die oftmals als Zwei-Klassen-Medizin bezeichnet wird. Ihr gegenüber steht das Konzept der Bürgerversicherung. Als Krankenversicherung für alle soll die Bürgerversicherung den gleichen Zugang aller Bürger*innen zu medizinischer Versorgung gewährleisten. Aber kann durch diese Reform wirklich ein solidarisches und gerechtes Gesundheitssystem entstehen?

Das duale Versicherungssystem

Momentan besteht im Gesundheitswesen ein duales System aus Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV). Die Mehrheit der Bürger*innen im Land sind in der GKV versichert, wobei die Beiträge paritätisch von Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen bezahlt werden. Die Mehrzahl der Beamten und Selbständigen sowie Bürger*innen mit hohen Einkommen entscheiden sich hingen für die PKV. Die Beiträge für die PKV werden von den Versicherten komplett selbst übernommen.

Privatversicherte haben deutliche Vorteile, beispielsweise bei der Terminvergabe in einer Facharztpraxis. Zudem übernehmen Private Krankenversicherungen verschiedene Zusatzleistungen, die durch die GKV nicht abgedeckt sind. Trotz dieser Vorteile wollen viele PKV Versicherte im Alter zurück in die Gesetzliche Krankenversicherung wechseln, da die Beiträge durch Zunahme an Erkrankungen steigen. Dieser Wechsel gestaltet sich sehr schwierig, da Privatversicherte in jungen Jahren keinen solidarischen Beitrag zur Gesetzlichen Krankenversicherung geleistet haben.

Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist in diesem dualen Versicherungssystem nicht für alle Bürger*innen gleich. Diese Aufspaltung in Gesetzliche und Private Krankenversicherung in Deutschland wird als Zwei-Klassen-Medizin kritisiert. Ein gerechtes Gesundheitssystem sieht anders aus!

Das Modell der Bürgerversicherung

Eine Bürgerversicherung bedeutet das Ende dieses dualen Versicherungssystems. Im Vordergrund steht dabei die Einführung eines gerechten und solidarischen Gesundheitswesens. Alle Bürger*innen sollen gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Eine bevorzugte Behandlung von Privatversicherten gehört in diesem Modell der Vergangenheit an.

Alle Bürger*innen zahlen Beiträge aus den eigenen Einkünften in die Bürgerversicherung ein. Durch die Einzahlung von allen Bürger*innen in die Versicherung soll die Finanzsituation der Krankenkassen verbessert werden. Beamte und Bürger*innen mit hohen Einkommen würden ebenso in die Bürgerversicherung einzahlen wie Arbeitnehmer*innen, die vorher in der GKV pflichtversichert waren. Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen sollen so verhindert werden. Die Bemessung des Versicherungsbeitrags orientiert sich dabei nicht nur an dem Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Für die Festsetzung der Beiträge werden auch Einkünfte aus Kapitalanlagen und Mieteinnahmen berücksichtigt. Durch diese neue Berechnungsgrundlage und der Beiträge der vormals PKV-Versicherten kann eine Beitragssenkung für alle Bürger*innen erreicht werden.

Kritik an der Bürgerversicherung

Eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) beleuchtet die finanziellen Aspekte dieses Konzepts: Die Zusammenlegung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung würde eine Kostenersparnis von zirka einem Prozent für Versicherte bedeuten. Dies sei jedoch nicht dauerhaft, da die Kosten des Gesundheitswesens stetig steigen. Dies liege zum einen an der Überalterung der Gesellschaft. Das IW kritisiert hier, dass die Lasten der Bürgerversicherung von der jungen Generation getragen werden. Der demografische Wandel stellt eine besondere Herausforderung für ein gerechtes und solidarisches Gesundheitssystem dar. Die Kostenexplosion im Gesundheitswesen könne, so das IW, auch durch die Bürgerversicherung nicht aufgehalten werden.

Einschätzung

Das duale Versicherungssystem in Deutschland führt zu Ungerechtigkeiten in der medizinischen Versorgung. Nicht nur der Zugang zu ärztlicher Behandlung, sondern auch die Beitragslast in den Versicherungen sind ungleich verteilt. Während Bürger*innen mit hohen Einkommen privatwirtschaftliche Versicherungsverträge mit vielfältigen Zusatzleistungen abschließen können, wird der Leistungskatalog der GKV weiter gekürzt. Eine gerechte Verteilung der Versicherungsbeiträge durch eine Umstrukturierung des Beitragssystems im Sinne einer Bürgerversicherung kann zu einer dringend notwendigen Reform des Gesundheitswesens beitragen.

Teil 2 - Bürgerversicherung in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021 folgt