10. Mai 2023 - Methoden der Komplementärmedizin, wie z.B. Akupunktur, oder Naturheilverfahren werden häufig in Verbindung mit konventionellen Verfahren eingesetzt – im Rahmen der sogenannten Integrativen Medizin. Diese Therapierichtungen erfreuen sich nicht nur einer großen Beliebtheit in der Bevölkerung, sondern sind in ihrem Kosten-Nutzen-Verhältnis oft günstiger, mindestens aber vergleichbar mit konventionellen Verfahren. Das zeigen ökonomische Evaluationen, in denen ihre Wirksamkeit ins Verhältnis zum Aufwand gesetzt wird.
 
Die Zahl chronischer Erkrankungen steigt und damit einhergehend die Behandlungskosten. Nicht zuletzt die enorme Krankheitslast durch Covid hat die Gesundheitsausgaben in die Höhe getrieben (siehe dazu Statista). Klinische Erfolge in der Begleitung von Post-Covid-Patient:innen in naturheilkundlichen Settings weisen auf die Potenziale komplementärmedizinischer Verfahren hin (Publikationen hierzu sind in Arbeit). Vor diesem Hintergrund ist es ratsam, komplementäre Methoden, die bereits heute über einen gewissen Stand der Evidenz verfügen, im Rahmen von Projekten der Versorgungsforschung weiter zu beforschen und im System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) stärker zu verankern. Politische Anstrengungen dahingehend sind bisher allerdings marginal.
 

Zur Situation

Studien aus der internationalen Versorgungsforschung zeigen, dass Patient:innen durch komplementäre Verfahren vielfach kosteneffektiv und teilweise deutlich kostengünstiger versorgt werden können als durch eine konventionelle Therapie allein.
 
  • Eine Übersichtsarbeit über mehr als 300 ökonomische Evaluationen zeigt, dass viele komplementäre Verfahren hinsichtlich ihrer Kosteneffizienz mit neueren konventionellen Verfahren vergleichbar sind. [1, 2]
  • Eine sechsjährige niederländische Studie zeigt, dass Patient:innen geringere Versorgungskosten auslösten, wenn sie bei komplementär orientierten Hausärzt:innen versorgt wurden. [3]
  • In einer Erhebung bei Schweizer Hausärzt:innen zeigte sich, dass Patient:innen mit kombinierter Versorgung (konventionell und komplementär) keine vermehrten Kosten in der Versorgung verursachten. Zwar waren die unmittelbaren Maßnahmen durch die Komplementärmediziner:innen geringgradig höher, allerdings nahmen sich die Ärzt:innen auch mehr Zeit für ihre Patient:innen und verursachten so deutlich weniger Folgekosten durch Weiterüberweisungen. [4]
  • Die Wirksamkeit vieler Verfahren ist inzwischen gut untersucht. Verfahren der Anthroposophischen Medizin z.B. sind wirksam bei bestimmten chronischen Erkrankungen. [5, 6] Für diese Therapierichtung zeigt sich immer wieder eine hohe Patient:innenzufriedenheit, verbunden mit weniger Behandlungstagen im Krankenhaus und daraus resultierender Kosteneffizienz.
  • Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie konnten beeindruckende Erfolge bei Patient:innen mit Post-Covid und möglichem Chronic Fatigue Syndrom erzielt werden, die in einem klinisch-naturheilkundlichen Setting betreut wurden. Die ersten Daten lassen darauf schließen, dass hier Möglichkeiten zur Wiedereingliederung in den Beruf eröffnet werden, die einen erheblichen Kosteneffekt haben dürften. [7]
 

Fazit

Die vorhandene Studienlage legt nahe, dass komplementäre Verfahren kosteneffizient sind. Sie sollten daher insbesondere im Versorgungskontext weiter beforscht, auf ihre Kosteneffektivität hin untersucht und politisch gefördert werden. Angesichts der zunehmenden Rate chronischer Krankheiten und der massiven Kostensteigerungen im System durch eine maßnahmen- und kostenintensive Medizin ist es sinnvoll und notwendig, komplementärmedizinische Methoden pragmatisch weiter und tiefer in die Regelversorgung zu integrieren – im Verbund mit konventionellen Verfahren im Sinne einer Integrativen Medizin. 
 

Quellen

[1] Herman PM, Poindexter BL, Witt CM, et al. Are complementary therapies and integrative care cost-effective? A systematic review of economic evaluations. BMJ Open 2012;2:e001046.

[2] Bell CM, Urbach DR, Ray JG, et al. Bias in published cost effectiveness studies: systematic review. BMJ 2006;332:699-703.

[3] Baars EW, Kooreman P. A 6-year comparative economic evaluation of healthcare costs and mortality rates of Dutch patients from conventional and CAM GPs. BMJ Open 2014;4:e005332.

[4] Studer HP, Busato, A. Schweizerische Ärztezeitung | Bulletin des médecins suisses | Bollettino dei medici svizzeri | 2010;91:18.

[5]  Kienle GS, Glockmann A, Grugel R, et al. Klinische Forschung zur Anthroposophischen Medizin – Update eines Health Technology Assessment-Berichts und Status Quo. Forsch Komplementmed. 2011;18:269-82.

[6] Kienle GS, Kiene H, Albonico HU. Anthroposophic medicine: effectiveness, utility, costs, safety. Stuttgart, NY: Schattauer Verlag; 2006.

[7] Mündliche Mitteilung an Dr. Stefan Schmidt-Troschke von Dr. Joanna Dietzel / Prof. Dr. Benno Brinkhaus über eine laufende Studie an der Hochschulambulanz für Naturheilkunde, Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Universitätsmedizin Charité Berlin.

 

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