02. Juni 2021 - Am 6. Juni 2021 wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Weil's hilft! hat den im Landtag von Sachsen-Anhalt vertretenen Parteien zwei Fragen zur Integrativen Medizin gestellt:

1. Werden Sie sich in Sachsen-Anhalt für die weitere Erforschung der Integrativen Medizin einsetzen, etwa mit einem Lehrstuhl?

2. 75 Prozent* der Bevölkerung in Deutschland befürwortet die Integrative Medizin – verstanden als ein Miteinander von Schul- und Naturmedizin (* laut einer Kantar TNS Umfrage, 2018). Mit welchen Maßnahmen werden Sie sich für gute Rahmenbedingungen für die Integrative Medizin einsetzen?

Die Grünen haben aufgrund ihrer parteiinternen Diskussion um die Homöopathie bzw. der Komplementärmedizin noch eine Zusatzfrage bekommen. Im neuen Grundsatzprogramm erkennen die Grünen: „Viele Menschen nutzen Komplementärmedizin, die somit eine relevante Rolle in der heutigen Gesundheitsversorgung spielt.“ Über diese Formulierungen haben wir uns von weil's hilft! sehr gefreut, wir wollen es aber genauer wissen: „Wie werden Sie diese Grundsatzaussagen in Sachsen-Anhalt mit Leben füllen?“ 

Das sind in Kürze die offiziellen Antworten der Parteien:

CDU: „Die CDU Sachsen-Anhalt wird sich für einen stetigen und fairen Diskurs um die Integrative Medizin einsetzen.“

Die CDU Sachsen-Anhalt unterstützt umfassend medizinische Forschung, da die Gesundheit der Bürger unseres Landes ein wesentlicher Faktor für die erfolgreiche Weiterentwicklung unserer Gesellschaft ist. Methoden und Verfahren der Integrativen Medizin sind hierbei eingeschlossen. Wie jede andere Maßnahme zur Prävention, Diagnostik und Therapie müssen auch die Verfahren der Integrativen Medizin dabei ihre Wirksamkeit nach wissenschaftlichen Maßstäben beweisen. 

Eine ausgewogene Mischung gut wirksamer präventiver, diagnostischer und therapeutischer Verfahren der Schul- und Naturmedizin wird auf Akzeptanz in der Bevölkerung, bei den Leistungserbringern und den Kostenträgern medizinischer Versorgung treffen. Die Menschen unseres Landes müssen den medizinischen Leistungsangeboten vertrauen können und fordern deshalb zu Recht, Transparenz zur Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Verfahren. Die CDU Sachsen-Anhalt wird sich für einen stetigen und fairen Diskurs um die Integrative Medizin einsetzen.

SPD„Wir sehen große Bedarfe für die Regulierung des Zugangs in die Patient*innenversorgung der komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden.“

Nein, im Rahmen der Freiheit der Forschung und der Hochschulautonomie ist es die Kompetenz der Universitäten des Landes und ihrer medizinischen Fakultäten, ihre Forschungsfelder und diesbezüglichen Schwerpunkte entsprechend zu wählen. Wir begrüßen es aber, wenn in diesem Zusammenhang, die aus unserer Sicht notwendige wissenschaftliche Begleitung von komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden erfolgt.

Alternative Heilmethoden wie Naturheilkunde, Traditionelle Chinesische Medizin, Akupunktur, Homöopathie oder auch Osteopathie, die oft von Heilpraktikern angewendet werden, haben an Bedeutung für Patient*innen gewonnen und werden von ihnen auch nachgefragt. Komplementärmedizinische Behandlungsmethoden sind Bestandteil der medizinischen Praxis. Da für uns der Patient*innenschutz an erster Stelle bei allen gesundheitspolitischen Überlegungen steht, sehen wir große Bedarfe für die wissenschaftliche Begleitung von komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden und auch für die Regulierung des Zugangs in die Patient*innenversorgung.

Wir setzen uns dafür ein, das Behandlungsspektrum von Heilpraktiker*innen im Sinne des Patient*innenschutz einer Begutachtung zuzuführen. Aus unserer Sicht besteht Regulierungs- und Reformbedarf. … Wir begrüßen eine Reform und Vereinheitlichung der Heilpraktiker*innen-Ausbildung mit wissenschaftlicher Ausbildung und Prüfung, denn die bisherige Berufsordnung, die lediglich für die Mitglieder der Heilpraktiker-Verbände Wirkung entfaltet, halten wir für nicht ausreichend.

FDP: „Die Diskrepanz zwischen Gesundheitsalltag und wissenschaftlichem Erkenntnisstand sollte überwunden werden.“

In vielen Praxen greifen Ärztinnen und Ärzte bereits auf Aspekte komplementärer und integrativer Medizin zurück, beispielsweise wenn es sich um chronisch kranke Patienten handelt. Ein Lehrstuhl für Integrative Medizin, wie es ihn beispielsweise an der Universität Tübingen gibt, existiert in Sachsen-Anhalt jedoch nicht. Auch im Bereich der Facharztausbildung Allgemeinmedizin werden komplementärmedizinische Inhalte bisher nur unwesentlich abgebildet. Eine intensivere Forschung in diesem Gebiet wäre daher wünschenswert, denn Bestandteile integrativer Medizin werden zwar häufig durch die Patienten wahrgenommen, aber die Studienlage hierzu ist unbefriedigend. Daher sollte die Diskrepanz zwischen Gesundheitsalltag und wissenschaftlichem Erkenntnisstand überwunden werden. Etwaige Arbeits- und Forschungsgruppen könnten an bestehenden Instituten für Sozialmedizin und Epidemiologie angegliedert werden und somit auf bereits bestehende Ressourcen zurückgreifen.

Grundlage für die Eingliederung der Bestandteile der integrativen und komplementären Medizin ist eine hinreichende wissenschaftliche Evidenzlage, die es, wie bereits oben erwähnt, auszubauen gilt. Zudem sollten Aspekte der integrativen Medizin vermehrt in die fachärztliche Weiterbildung Allgemeinmedizin Einzug halten, da vor allem diese ärztlichen Kollegen in ihrer Versorgungsstruktur darauf zurückgreifen. Ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist die verstärkte interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen, die es nachhaltig zu verbessern gilt, um eine ganzheitliche Betrachtung und Behandlung der Patienten zu gewährleisten.

Bündnis90/Die Grünen: „Im Rahmen der von uns angestrebten Einführung kommunaler Gesundheitskonferenzen hat auch die Integrative Medizin ihren Platz.“

Die Integrative Medizin bereichert unser Gesundheitssystem und sichert eine wünschenswerte Methodenvielfalt. Die in diesem Bereich tätigen Professionen leisten eine Verbindung von schulmedizinischen und komplementärmedizinischen Verfahren und das erachten wir als wertvoll, denn im Krankheitsfall ist es für viele Patient*innen wichtig selbstbestimmt zwischen unterschiedlichen qualitätsgesicherten Angeboten und Therapien wählen zu können. Im Rahmen der von uns angestrebten Einführung kommunaler Gesundheitskonferenzen hat auch die Integrative Medizin ihren Platz. Die Stärkung der Forschung in diesem Bereich unterstützen wir grundsätzlich. Bei Initiativen von Hochschulen in diese Richtung sind wir diesbezüglich prinzipiell gesprächsoffen.

Zur Stärkung und weiteren Professionalisierung der Komplementärmedizin sollte die Berufsausübung durch bundeseinheitliche Inhalte, Strukturen und Dauer für die Ausbildung neu geregelt werden. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zum Heilpraktikerberuf stammen noch aus dem Jahr 1939. Daher ist eine entsprechende Modernisierung für eine Stärkung des Heilpraktikerberufs angezeigt. 

Grundsätzlich wollen wir die Befugnisse für die Komplementärmedizin beibehalten. Aus unserer Sicht sollte es keine generellen Kompetenzvorbehalte für bestimmte Berufsgruppen geben. Voraussetzung für die Wahrnehmung von bestimmten Aufgaben in der Patientenversorgung ist der Erwerb hierfür erforderlicher fachlicher Kenntnisse.

Die Linke: „Patient*innen sollten ein Recht auf freie Wahl der Therapierichtung haben.“

Die  Autonomie von Forschung und Lehre ist für DIE LINKE ein hohes Gut. Daher sehen wir es als schwierig an, den Hochschulen einzelne Forschungsgebiete vorzuschreiben. Wir unterstützen aber das Bestreben nach Erkenntnisgewinn durch Erforschung der Integrativen Medizin, denn es ist uns wichtig, dass es eine Betreuung von Patient*innen neben dem klassischen Medizinbetrieb gibt. Hierbei steht der Nutzen für die Patient*innen verbunden mit einem Anspruch auf nachgewiesenermaßen sinnvolle Behandlungen im Vordergrund. Patient*innen sollten ein Recht auf freie Wahl der Therapierichtung haben. Voraussetzung dafür ist, dass sie einerseits umfassend über alternative Formen der Therapie unterrichtet sind, andererseits durch die Behandlung nicht gefährdet werden und sinnvolle medizinische Behandlungen nicht unterbleiben - es sei denn, die Betroffenen haben sich ausdrücklich und informiert dagegen entschieden.

Es muss eine ehrliche und offene Debatte über die Chancen und Möglichkeiten einer komplementären Medizin geführt werden. Dabei muss auch diskutiert werden, an welchen Stellen es bei der Ausbildung und Zulassung von Heilpraktiker*innen noch Verbesserungspotential gibt. Bei den Reformvorhaben ist es wichtig und zielführend, wenn alle Akteur*innen von Beginn an aktiv in den Diskussionsprozess einbezogen werden, damit die Interessen aller Beteiligten gleichermaßen vertreten und berücksichtigt werden können.

Der AfD haben wir keine Fragen geschickt, weil wir sie weder unterstützen noch uns von ihr vertreten lassen möchten. 

weil’s hilft! Fazit: Die Relevanz der Integrativen Medizin wird von den Parteien in Sachsen-Anhalt wahrgenommen, jedoch in Abstufung. Die deutlichste Zustimmung kommt von den Grünen, Reserviertheit von der SPD. CDU und FDP sehen einen starken Bedarf in der Erforschung der Integrativen Medizin, da die Bevölkerung sie in hohem Maß in Anspruch nimmt. Die Linke zeigt sich erstaunlich offen für die Integrative Medizin, dabei haben sie der Homöopathie erst unlängst per Vorstandsbeschluss eine gesundheitspolitische Absage erteilt. Interessant ist, dass die Integrative Medizin zumeist mit Heilpraktikern in Bezug gesetzt wird, nur die FDP spricht auch von der ärztlichen Ausbildung.