04. Mai 2023 - Dr. med. Franziska Rubin ist promovierte Ärztin, Moderatorin und Autorin zahlreicher Bücher über eine sanfte Medizin. Sie ist Fan eines ganzheitlichen Ansatzes in der Medizin und in der Behandlung ihrer Patient:innen. Sie tritt in verschiedenen TV-Formaten rund um das Thema Gesundheit auf und schreibt über Kräuter, Medizin für Frauen und gesunde Ernährung und gesundes Leben.

Frau Dr. Rubin, Sie sind Ärztin und Verfechterin einer sanften Medizin. Was hat Sie persönlich zur Naturheilkunde gebracht?

Auslöser waren unerträgliche Rückenschmerzen, die durch Homöopathie geheilt werden konnten. Das war zu Beginn meines Medizinstudiums, als ich noch Null an die Naturheilkunde glaubte. Nach dieser Erfahrung habe ich mich mit vielen verschiedenen Verfahren beschäftigt – von der traditionellen chinesischen Medizin über Ayurveda bis hin zur klassischen Naturheilkunde – weil mir klar wurde, dass man auf solche Systeme ausweichen kann, wenn die Schulmedizin nicht helfen kann.

Was kann die Komplementärmedizin, was die Schulmedizin nicht kann?

Der Unterschied ist oft dann sehr stark, wenn der eigene Körper noch gut reagieren kann. Also wenn ich merke, ich kriege eine Erkältung oder wenn ich eine chronische Erkrankung habe, so dass ich regelmäßig etwas tun muss. Da finde ich die Naturheilkunde gut, weil sie so nebenwirkungsarm ist und den Körper immer anregt, sich selbst zu kurieren. Im Unterschied dazu kann die Schulmedizin dann noch Dinge rocken, wenn der Körper eigentlich schon komplett aus dem Gleichgewicht ist. Insofern ergänzen sich die beiden ganz gut.

Stimmt es denn noch, dass es in der Naturheilkunde vergleichsweise wenig Evidenz gibt?

Das stimmt eben nicht, und ehrlich gesagt nervt mich die Debatte. Gerade die deutschen Universitäten haben in den letzten zehn Jahren hunderte Studien veröffentlicht, und weltweit gibt es so viel gute Evidenz zu ganz vielen Mitteln und Anwendungen. Nur wird das leider oft nicht gesehen.

Nehmen wir zum Beispiel chronische Schmerzen. Kann da die Naturheilhunde möglicherweise mehr ausrichten als die Schulmedizin?

Die Neuraltherapie zeigt sehr gute Ergebnisse. Da wird ein lokales Anästhetikum unter die Haut gespritzt, um den Körper zu einer Selbstordnung anzuregen. Tatsächlich zeigte eine Studie mit 280 Patienten, die seit Jahrzehnten unter therapieresistenten Schmerzen litten, dass es drei Viertel am Ende deutlich besser ging – bis zur völligen Schmerzfreiheit. Das ist toll. Denn diese Patienten hatten wirklich eine lange Leidensgeschichte. Ein anderes Beispiel sind Kohlwickel bei chronischen Knieschmerzen. Ausgerechnet dieses alte Hausmittel hat sich als wesentlich wirksamer erwiesen als die Kombination aus Physiotherapie und Schmerzmitteln.

Auf Ihrer Internetseite ist zu lesen, dass Granatapfel unverzichtbar bei Gefäß- und Herzerkrankungen sei. Was hat es damit auf sich?

Das ist wirklich total interessant, da es in der Schulmedizin kein einziges Medikament gibt, das Gefäßverkalkungen wieder rückgängig machen kann. Aber Granatapfel kann das. In einer Studie gingen die Ablagerungen in der Halsschlagader nach einem Jahr um 30 Prozent zurück – durch das Trinken von Granatapfelsaft.

In Ihrem Buch „Einfach heilen mit der Natur“ stellen Sie die wirksamsten Heilmittel vor, und zwar wissenschaftlich belegt. Welche Studienergebnisse haben Sie besonders beeindruckt?

Ja hinter den 77 Tipps stecken 55 Studien. Das kann jeder nachlesen. Neben den bereits erwähnten fand ich eine Studie zur Mariendistel sehr spannend. Diese Mittel aus der Natur ist das einzige, das uns vor Pilzvergiftungen schützt, also wenn wir giftige Pilze gegessen haben. Darum hat es jeder Rettungswagen dabei. Die Studie hat gezeigt, dass die Mariendistel sehr gut die Blutfettwerte senken kann und die Toxizität von medikamentösen Fettsenkern reduziert. Die Pflanze schützt also die Leber selbst vor den Medikamenten, die das Fett senken sollen. Beeindruckend fand ich auch, dass Wasseranwendungen bei Frauen in den Wechseljahren sowohl Hitzewallungen als auch Schlafstörungen lindern konnten. Die kalten Güsse haben den Frauen so gut geholfen, dass sie es nach der Studie unbedingt zu Hause weiter machen wollten.

Und welche Studienergebnisse haben Sie am meisten verblüfft?

Wir wissen ja, dass Meditation bei vielen Erkrankungen gut hilft. Was ich nicht wusste, war, dass sie beim Glaukom so gut hilft. Durch täglich 15 Minuten Atemtherapie und 45 Minuten Mediation hatten 75 Prozent der Patienten schon nach kurzer Zeit einen Rückgang des Augeninnendrucks von 25 Prozent erreicht. Das schafft kein Medikament so schnell, und schon gar nicht nebenwirkungsfrei. Faszinierend fand ich auch eine Studie zu kreisrundem Haarausfall. Da ist man ja echt machtlos. In der Untersuchung wurde die Kopfhaut der Betroffenen zweimal täglich mit Zwiebelextrakt, also einer ausgepresste Zwiebel, behandelt. Nach acht Wochen zeigte sich bei fast 90 Prozent wieder Haarwachstum. Das alles zeigt doch, dass sanfte Medizin eine starke Wirkung haben kann.

Welche Gesundheitstipps können Sie Menschen für den Alltag geben?

Verwenden Sie Kräuter in der Küche, vor allem Salbei und Rosmarin, denn die schützen mit ihrer Rosmarinsäure nachweislich vor Demenz. Jeder sollte nach dem warmen Duschen einen kalten Schenkelguss machen, weil das wirklich das Immunsystem stimuliert. Und dann finde ich 7.000 Schritte am Tag sehr wichtig, am besten in der Natur. Und Lachen. Das macht nicht nur das Leben etwas leichter – es gibt auch gute Evidenz, dass Lachen die Schmerzempfindlichkeit senkt.

 ham

Dr. Franziska Rubin ist Unterstützerin und Erstunterzeichnerin unserer Aktion Es geht ums Ganze – Manifest für eine gesunde Medizin. Mehr zu ihr findest du auf ihrer Website.

(c) Foto: Darius Ramazani (www.ramazani.de)