Umsteuern Richtung Gesundheit
Mehr als eine Milliarde Euro geben die Gesetzlichen Krankenkassen täglich für Krankheitskosten aus. Lediglich rund zwei Prozent davon fließen in Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen. Ein überraschend niedriger Wert, angesichts der Zunahme sogenannter Volkskrankheiten, wie z. B. Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, starkes Übergewicht oder psychische Erkrankungen, wie Depressionen. Diese verursachen hohe volkswirtschaftliche Kosten, obwohl mittlerweile erwiesen ist, dass sie durch einen gesundheitsbewussten Lebensstil vermieden bzw. positiv beeinflusst werden können. Wie kann das sein?
Tatsache ist, dass in unserem derzeitigen Gesundheitssystem Krankheit und nicht Gesundheit honoriert wird. Mit dem 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetz haben die Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) zwar den Auftrag erhalten, ihre Präventionsangebote auszuweiten und Angebote zur Gesundheitsförderung und Prävention finanziell zu unterstützen (§20 Abs. 5 SGB V). Gleichzeitig werden in Deutschland jedoch weiterhin die falschen Anreize gesetzt: Der sogenannte Morbiditätsausgleich (oder auch Risikostrukturausgleich) sieht vor, dass Krankenkassen mit besonders vielen schwerkranken Patient:innen eine Ausgleichszahlung von anderen Krankenkassen bekommen. Gedacht als ein Instrument, das den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander fördern soll, hat es den Effekt, dass eine Krankenkasse finanziell davon profitiert, wenn sie möglichst viele Versicherte mit schweren, chronischen und kostenträchtigen Krankheiten hat. Der Anreiz, regelmäßige körperliche Bewegung, ausgewogene Ernährung sowie Methoden zur Stressbewältigung – also Maßnahmen zur Primärprävention – zu fördern, ist vor diesem Hintergrund nur sehr gering ausgeprägt. Kranke Patient:innen rechnen sich, gesunde nicht.
Im Sinne der Patient:innen und vor dem Hintergrund der explodierenden Kosten im Gesundheitswesen ist ein Umsteuern unbedingt erforderlich. Wie kann das gelingen? Ein modernes Gesundheitssystem muss sich darauf fokussieren Gesundheit zu erhalten und dabei den ganzen Menschen im Blick haben. Naturmedizinische Verfahren beziehen Patient:innen als aktive Partner in die Behandlung ein und bestärken sie darin, gesünder zu leben. Sie aktivieren die Selbstregulationskräfte und Ressourcen und stärken das Immunsystem. Auf diese Weise tragen sie dazu bei, lebensstilbedingte, chronische Erkrankungen zu vermeiden bzw. in ihrem Verlauf abzuschwächen. Mit ihrem salutogenetischen (gesundheitsfördernden) Ansatz sind sie eine dringend benötigte Ergänzung zur konventionellen Medizin, die sich auf die Behandlung von Krankheiten fokussiert (pathogenetischer Ansatz). Ein gleichberechtigtes Miteinander von Naturmedizin und Schulmedizin leistet somit einen wichtigen Beitrag für eine patientenzentrierte Medizin der Zukunft.