Ein Rechercheteam der ARD-Dopingredaktion und des Recherchenetzwerks Correctiv hat ein Jahr in der Welt des Fußballs recherchiert und sprach mit mehr als 150 Bundesliga-Spielern, Ex-Profis, Trainern, Teamärzten, Wissenschaftlern und Funktionären. Alle bestätigen: Schmerzmittel sind gang und gäbe und das nicht nur im Profifußball, sondern bis hinunter in die Kreisklasse. „Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe - Ibuprofen wird wie Smarties verteilt," bringt es der erfahrene Bundesliga-Spieler Neven Subotic auf den Punkt. “Für jedes kleine Aua gibt es quasi pauschal Ibuprofen." Keine Einzelfälle, sondern ein System: Um Karriere zu machen, nehmen Profis und solche, die es werden wollen, Schmerzmittel, oft sogar vorbeugend. Nebenwirkungen oder Folgeschäden sind in der Regel kein Thema, obwohl diese beträchtlich sind: So können Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen Magen-Darm-Geschwüre, schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse, Bluthochdruck, akutes Nierenversagen und Verschlechterung einer bereits bestehenden Herzinsuffizienz verursachen.[1] Laut Deutscher Apothekerzeitung sind NSAR jährlich für 1.000 bis 2.000 Todesfälle in Deutschland verantwortlich.[2]  

Das Phänomen des Schmerzmittelmissbrauchs im Fußball ist nicht neu, bereits 2017 berichtete das ZDF darüber. Das Ausmaß, in dem Schmerzmittel aber mittlerweile auch im Amateursport verwendet werden, überrascht dann doch: Bei einer nicht-repräsentativen Umfrage des Rechercheteams bejahten 79 Prozent von rund 1.100 befragten Amateur-Fußballerinnen und -Fußballern die Frage, ob sie während ihrer Laufbahn bereits zu Schmerzmittel gegriffen hätten. 56 Prozent nehmen die Mittel sogar regelmäßig während einer Saison. DFB-Präsident Fritz Keller zeigt sich "schockiert". Er kündigte an, Landesverbände und Trainer für das Problem zu sensibilisieren. Schließlich sei Amateursport "zur Gesunderhaltung gedacht und nicht dafür, dass man sich kaputt macht".

Ungenutzte Potentiale von Naturmedizin im Sport

Was immer es für Veränderungen im System Fußball bedarf: Sensibilisieren sollte man Trainer, Betreuer und Spieler nicht zuletzt dafür, dass es viele wirksame pflanzliche Stoffe bzw. naturmedizinische Verfahren gibt, die chemische Substanzen gegen Schmerzen entweder überflüssig machen oder sie zumindest reduzieren helfen – mit wenigen bis gar keinen Nebenwirkungen. Positive Ergebnisse liegen beispielsweise für Arnika[3] oder das Kombinationspräparat Phytodolor[4] vor. Viele Sportärzte verwenden Traumeel-Salbe als wirksame Alternative zur lokalen Anwendung von Diclofenac, z. B. bei akuten Verstauchungen des Sprunggelenks.[5] Zudem zeigt Akupunktur in der akuten Schmerztherapie eine stärkere sofortige Wirkung als schmerzlindernde Injektionen.[6] Der Sportmediziner Klaus Pöttgen, bis 2016 Mannschaftsarzt des SV Darmstadt 98, nennt darüber hinaus als Beispiele auch Yoga, die Enzymtherapie sowie die Ernährung.

Dass derartige Behandlungen nicht nur schonend, sondern auch im Leistungssport sehr erfolgreich sein können, beweist auch der langjährige Mannschaftsarzt des FC Bayern München und der Fußball-Nationalmannschaft, Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt mit seiner Arbeit. In seinem Buch: Mit den Händen sehen. Mein Leben und meine Medizin, schreibt er: „Moderne Medizin bedeutet für mich, nichts auszulassen, was dem Patienten hilft, ohne zu schaden. Der Körper muss bei seinen enormen Selbstheilungskräften unterstützt werden und die Antwort des Körpers auf Verletzungen und Überlastungen darf nicht durch chemische Medikamente unterdrückt werden. (…) Insgesamt betrachtet, erschien es mir angesichts der komplexen Wechselwirkungen der Strukturen des menschlichen Körpers von Anfang an nur sinnvoll, die Behandlung meiner Patienten in ihrem Sinne ganzheitlich auszurichten. Dass ich dabei auf heilungsfördernde biologische und homöopathische Medikamente zurückgreife, ist einerseits der Schonung des Organismus geschuldet und andererseits auf ihre Wirksamkeit zurückzuführen.”

Quellen
www.dw.com, 9. Juni 2020
www.presseportal.de, 8. Juni 2020
www.zdf.de, Schmerzmittel im Fussball
Buch: Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt: Mit den Händen sehen: Mein Leben und meine Medizin. Insel Verlag 2018.

 

Fußnoten
[1] pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18823646
[2] deutsche-apotheker-zeitung.de
[3] pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23947690
[4] pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17704984
[5] ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4231442
[6] pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29234385