20.Juli 2021 - Nicht mehr wissen, woher man kommt und nach und nach alle Erinnerungen verlieren: Demenz ist ein Schreckgespenst. Jeder zweite in Deutschland hat Angst davor, daran zu erkranken und schließlich auf Betreuung und Pflege angewiesen zu sein.  

Auch aus medizinischer Sicht ist die Behandlung von dementen Menschen eine Herausforderung: Zum einen gibt es keine Heilung. Zum anderen haben die Medikamente, die den Fortgang der Erkrankung verzögern sollen, eine Reihe von Nebenwirkungen, die wiederum zusätzlich belastend für Patient*innen sind.  

Demenzforschung nutzt Komplementärmedizin

Wissenschaftler wollen deshalb neue Wege gehen und dabei die Möglichkeiten der Komplementärmedizin nutzen. Professor Elmar Gräßel, Leiter des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung des Uni-Klinikums Erlangen und Christian Kessler, Oberarzt und Forschungskoordinator an der Charité Hochschulambulanz für Naturheilkunde am Immanuel Krankenhaus Berlin haben sich deshalb einen Ansatz überlegt, wie man kognitive Fähigkeiten lange erhalten kann.

Bei ihren Untersuchungen wollen sie zwei Richtungen miteinander verbinden: Computergestütztes kognitives Training (CCT) und eine pflanzenbasierte Ernährung. Beides zusammen soll sich positiv auf die kognitiven Funktionen auswirken. "Ziel des Projektes ist, die kognitiven Fähigkeiten von Menschen mit MCI (mild cognitive impairment – Anm. d. Red.) durch die Kombination des computergestützten kognitiven Trainings mit der Modifikation der Ernährung stärker zu verbessern, als dies mit einer Komponente allein möglich wäre", erklärt Professor Gräßel in der Mitteilung der Carstens-Stiftung. Ob das wirklich so ist, soll nun in wissenschaftlichen Studien überprüft werden.  

Geplant ist eine sogenannte prospektive Interventionsstudie mit 200 Menschen, die eine leichte kognitive Störung, kurz MCI, mit Gedächtnisschwäche aufweisen. MCI wird dabei als Vorstufe von Demenz betrachtet. Denn was sich zunächst als altersbedingte Gedächtnisschwäche ohne wesentliche Einschränkungen im Alltag zeigt, entwickelt sich bei rund 70 Prozent der Betroffenen innerhalb von fünf Jahren zu einer Demenz.

Vier verschiedene Kombinationen 

Die Proband*innen sollen in vier Gruppen eingeteilt werden. Über einen Zeitraum von sechs Monaten erhält Gruppe 1 ein individualisiertes CCT, bei dem sich die Übungen auf das Leistungsniveau der Proband*innen anpassen. So soll sowohl Über- als auch Unterforderung vermieden werde. Hinzukommt die pflanzenbasierte Ernährung, die im Online-Gruppensetting vermittelt wird.  

Die zweite Gruppe bekommt ebenfalls das individualisierte CCT, erhält bezüglich der Ernährung allerdings eine Online-Schulung gemäß der offiziellen Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Gruppe 3 absolviert eine basale, sich nicht anpassende Form des CCT sowie die pflanzenbasierte Ernährung und in der vierten Gruppe werden das basale CCT und die Ernährungsempfehlungen der DGE miteinander kombiniert. 

"Mit diesem Studiendesign können wir nicht nur bereits Effekte mittlerer Stärke durch das kognitive Training oder die Ernährungsanpassung für sich genommen entdecken, sondern auch etwaige Interaktionseffekte nachweisen", sagt Professor Gräßel. Der Beobachtungszeitraum beträgt 12 Monate, sodass erste Hinweise auf den Einfluss der Maßnahmen auf die Übertrittsrate von MCI hin zur Demenz möglich sein werden. 

Unterstützt werden die Forscher bei ihren Untersuchungen von der Carstens-Stiftung. Sie stellt für das Projekt zur Demenzforschung 400.000 Euro bereit.