Dr. med. Erich Freisleben ist seit 35 Jahren praktizierender Hausarzt in Berlin. Seine Erfahrungen in der ärztlichen Arbeit haben ihn davon überzeugt, dass die Medizin moderne Techniken und die menschliche Natur in Einklang bringen muss. Er vertraut in die eigene Selbstmächtigkeit und wird nicht müde, immer wieder neu zu gestalten. In seinem im Herbst 2020 erschienenen Buch „Medizin ohne Moral“, zeigt er daher nicht nur die Mängel des Gesundheitssystems auf, sondern erklärt auch, wie sich dieses zum Positiven ändern könnte. Für weil’s hilft! hat er uns dazu „3 Fragen an…“ beantwortet: 

 

1. Medizin ohne Moral: Was bedeutet der Titel Ihres Buches und um was geht es? 

Auf der Wegstrecke meiner vierzigjährigen ärztlichen Tätigkeit erlebte ich das Abgleiten der Medizin auf einen fatalen Irrpfad. Der Titel möchte zur Kurskorrektur aufrufen. Ich beschreibe aus der Praxis heraus – und für jeden verständlich – zunächst die Etappen einer Entfremdung vom Wesen des Heilens.

Mit Hilfe zahlreicher Fallbeispiele nehme ich die Leserinnen und Leser dann aber auch mit auf die Entdeckungsreise der vielfältigen Bezüge von Krankheit zu unserer Biographie, zu den Lebensumständen, zu inneren Zielen und Glaubenshaltungen und zu den Tiefen unseres seelischen Wesens. 

Weil die Medizin einerseits auf jahrtausendlange Erfahrungskonzepte beruht und sich andererseits aber auch mit jeder gesellschaftlichen Wandlung selbst verändert, gehört zum Arztberuf nicht nur Detailwissen, sondern auch ein Verständnis zeittypischer Veränderungen. Deshalb habe ich mich im letzten Teil des Buchs bemüht, die Wandlungen des Menschenbilds und des ärztlichen Selbstverständnisses in der Moderne aus dem historischen Kontext zu beschreiben. Denn erst dann erklären sich Irrwege und können menschengerechte Konzepte für die Zukunft gefunden werden.

2. Soweit man das schon sagen kann: Was denken Sie, können wir aus der Corona Krise lernen? 

Das kleine Virus konfrontiert uns mit unserer modernen Lebensweise. Wir können lernen, Mitmenschlichkeit, Kultur und echte Lebensfreude wieder schätzen zu lernen. Wir könnten aufwachen und die Globalisierung an die wirklichen Bedürfnisse der Menschen anpassen. Corona ist eine Krankheit der Moderne. Sie allein technisch mit einer Impfung heilen zu wollen, verschiebt die Probleme in zukünftige Krisen.

3. Was wünschen Sie sich für 2021?

Die Mitte zu finden, zwischen Angst und Zuversicht, zwischen Wissen und Weisheit, zwischen Tatkraft und Rücksicht. Letztlich zwischen Materie und Geist.