15. März 2022 - Erst bringt das Coronavirus eine weltweite Pandemie, raubt Millionen von Menschen das Leben und stellt das öffentliche Leben auf den Kopf. Dann überfällt Russland die Ukraine und ein Krieg tobt quasi vor der eigenen Haustür. Das, was Psychologen als Krisenpermanenz bezeichnen, sind mehrere Ausnahmesituationen, die ohne Pause aufeinanderfolgen und über einen längeren Zeitraum anhalten. Diese müssen von jeder und jedem bewältigt werden, vor allem mental. Denn mentale beziehungsweise psychische Gesundheit ist ein Teil der allgemeinen Gesundheit. 

Auch wenn diese Herausforderungen nicht mit dem Leid der Menschen in der Ukraine und der Geflüchteten zu vergleichen sind, besteht Handlungsbedarf. Die mentale Gesundheit auch nach vielen Krisenmonaten aufrechtzuerhalten, ist eine wichtige Aufgabe der Zeit. Doch wegen der enttäuschten Hoffnungen, dass sich die allgemeine Lage spätestens in diesem Frühjahr hierzulande entspannen wird, fällt genau das manchen Menschen schwer. Angesichts der Nachrichten über den Ukraine-Krieg, Rekordwerten bei den Corona-Fallzahlen und stetig wachsenden Lebenshaltungskosten macht sich bei vielen Angst breit, die viele einfach lähmt und hoffnungslos zurücklässt. Andere, wie zum Beispiel die tausenden Menschen, die an den Wochenenden demonstrieren gehen, wollen aktiv etwas tun.

Deutsche sind in Schockstarre

Obwohl die Einigkeit der Weltgemeinschaft, die Handlungsfähigkeit der europäischen und deutschen Politik und der als heldenhaft empfundene Mut der Ukrainer etwas Zuversicht bringe, gleiche die Befindlichkeit der Deutschen einer Schockstarre, schreibt das Rheingold-Institut zu den Ergebnissen ihrer Befragungen. "Sie fühlen sich paralysiert wie das Kaninchen vor der Schlange", sagt Stephan Grünewald, Gründer des Rheingold Instituts laut einer Mitteilung.

"Die extremen Ohnmachtsgefühle verstärken die Zermürbtheit, die die Menschen nach zwei Jahren Pandemie empfinden. Jenseits der Kriegsangst reagieren die Deutschen zunehmend resigniert, antriebslos und entnervt auf ihre Lebensumstände und haben trotz Lockerungstendenzen den Wunsch verloren, zu ihrem früheren Leben zurückzukehren. In einer Art Enttäuschungs-Prophylaxe dampfen viele ihre Sehnsüchte und Bedürfnisse ein, üben sich in Genügsamkeit und verharren in einer Abwarte-Haltung", so das Institut in dem Bericht Tiefenpsychologische Untersuchung "Wie ticken die Deutschen".

"Die Menschen vermissen die frühere Unbeschwertheit und Selbstverständlichkeit, mit denen man dem Leben und seinen Verlockungen oder Herausforderungen begegnete", führt Grünewald weiter aus. Die eskalierende Krisen-Spirale führe zu Bedrohungsgefühlen, Corona wiederum zu einer dauernden Übervorsicht. Lediglich 22,6 Prozent der Menschen wollen wieder zu der Lebensfülle und Risikobereitschaft der Vorcorona-Zeit zurückkehren. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wollen hingegen einige Vorsichtsmaßnahmen beibehalten und 27 Prozent bekunden sogar, dass sie in Zukunft zudem im Umgang mit Menschen zurückhaltender sein werden. "Spontanität wird durch ständige Selbstkontrolle ersetzt, Schuldgefühle sind zum Alltagsbegleiter geworden - die Deutschen leiden an Melancovid".

Mensch ist ein Gemeinschaftswesen

Dabei ist klar: Der Mensch kann auf Dauer nicht gut allein sein, denn er ist ein soziales Wesen, ein Gemeinschaftswesen. Auch und gerade in Krisensituationen sind Gemeinschaften und das Gefühl von Zugehörigkeit wichtig. Der offene Austausch mit anderen zu den aktuellen, auch anstrengenden Gefühlen kann den meisten Menschen schon helfen. Das Wissen darum, dass es anderen ähnlich oder ganz genauso geht, entlastet - und schafft im besten Falle ein echtes Gemeinschaftsgefühl. Der Fokus wird wieder einmal nach außen gerichtet. Auch Bewegung oder Sport mit anderen kann helfen, aus der Schockstarre auszubrechen.

Wie man moderaten Ängsten mit Naturmedizin begegnen kann, erfahren Sie hier.

Wer seine Angst oder melancholische Zustände nicht mehr selbst in den Griff bekommt, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Der kürzeste Weg ist über Krisen- und Notfallnummern der jeweiligen Region oder die Telefonseelsorge