31. Mai 2022 - Ärztinnen und Ärzte in Kanada können ihren Patientinnen und Patienten seit einiger Zeit den Aufenthalt in der Natur verschreiben. Doch was genau bekommt man, wenn man ein Natur-Rezept einlöst?

Das Projekt "Park Prescription – PaRx" ist ein erstes nationales, evidenzbasiertes Naturverschreibungsprogramm, das über die gesundheitlichen Vorteile von Natur aufklären und die Bevölkerung zu mindestens zwei Stunden Natur-Aufenthalt pro Woche motivieren will. Initiiert wird das Ganze von zahlreichen Gesundheitsorganisationen und kanadischen Parkverwaltungen. Bisher haben sich bei PaRx in Kanada mehr als 4000 Ärzt:innen, Psycholog:innen und andere Gesundheitsfachleute registriert. Sie alle wollen die Berechtigung, Natur-Rezepte auszustellen. Patient:innen, die diese bekommen, haben Anrecht auf freien Eintritt in einen Nationalpark in der Nähe.

Doch dieser freie Zugang will nur ein zusätzlicher Anreiz ein. Den verschreibenden Gesundheitsfachleuten geht es vielmehr darum, bei ihren Patient:innen die Lust auf Natur und das Bewusstsein über die zahlreichen positiven Effekte zu wecken. "Es gibt so gut wie keine medizinische Diagnose, für die die Natur nicht hilfreich ist", sagt Melissa Lem, die das Projekt leitet.  Die Hausärztin fordert, die Natur als "vierten Pfeiler" der Gesundheitsvorsorge zu machen. Sie sollte auf eine Stufe mit gesunder Ernährung, Schlaf und Bewegung gestellt werden.

 

Warum Natur?

Auf der dazugehörigen Seite im Internet erklären die Initiatoren, welche weitreichende und nachgewiesenen Effekte die Natur auf Erwachsene, auf Kinder und auf die Gesundheit des Planeten hat. Bei Erwachsenen beispielsweise sinken die Risiken an einer Herzerkrankung, Diabetes oder Bluthochdruck zu erkranken. Dabei reicht es aus, täglich 20 Minuten bewusst und ohne Ablenkung in der Natur zu sein.

Bei der Fülle der PaRx-Beispielen wird schnell klar, dass wir Menschen Naturwesen sind. Leider scheinen wir jedoch den Bezug zur Natur nach und nach zu verlieren. Das Leben, das sich hauptsächlich in geschlossenen Räumen abspielt, ist für uns Menschen nicht artgerecht.

Bereits 2013 hat der Europa Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO gezeigt, dass wir 90 Prozent unserer Zeit in geschlossenen Räumen verbringen. Laut einer von YouGov durchgeführten Umfrage ist die folgenschwerste Angabe die Tatsache, dass wir uns dessen nicht einmal bewusst sind. Zudem wird völlig unterschätzt, welche Risiken wir als Mitglieder der „Indoor Generation“ damit eingehen. Sitzen wird zur neuen Volkskrankheit erhoben und als ebenso ungesund wie Rauchen eingestuft, Vitamin-D-Mangel ist auch hierzulande verbreitet und bei Kindern manifestiert sich Übergewicht als immer weiterwachsendes Problem. Die Liste der Zivilisationskrankheiten ist lang – und wird noch länger werden, wenn wir unseren ursprünglichen Bezug zur Natur verlieren.

Natur auf Rezept kann ein Anfang dafür sein, genauso wie Waldbaden oder einfach nur regelmäßig im Grünen spazieren zu gehen. Wer selbst ausprobieren will, wie Natur- und Waldtherapie wirken, der hat aktuell die Möglichkeit als Studienteilnehmer/in dazu. Mit insgesamt vier Studien soll der potenzielle Nutzen der Natur- und Waldtherapie auf die physische und psychische Gesundheit in der Allgemeinbevölkerung, bei Probanden mit erhöhter Stressbelastung und Probanden mit Übergewicht untersucht werden, teil das Immanuel Krankenhaus in Berlin mit.

Weitere Informationen zu den Studien und wie du Studienteilnehmer/in werden kannst, findest du hier