09. August 2022 -  "Jedermann wird zugestehen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist. Wir sehen es in seiner Abneigung gegen Einsamkeit sowie seinem Wunsch nach Gesellschaft über den Rahmen seiner Familie hinaus", sagte der britische Naturforscher und Evolutionsbiologe Charles Darwin (1809 - 1882). Doch das Gefühl von Einsamkeit scheint sich in der modernen Welt breitzumachen und nicht nur zu einem individuellen Missstand, sondern zu einem gesellschaftlichen Problem zu werden. 

Einsamkeit wird von der Forschung als subjektives Gefühl definiert, als "wahrgenommene Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Beziehungen", schreibt die Professorin Maike Luhmann von der Ruhr Universität Bochum in einer schriftlichen Stellungnahme zu einer öffentlichen Anhörung im April 2022 dazu.

Einsamkeit hat demnach während der Covid-19-Pandemie in Deutschland in allen Altersgruppen stark zugenommen. Besonders betroffen von diesem Anstieg sind Jugendliche und junge Erwachsene, Eltern kleiner Kinder und Alleinlebende. Die Ursachen von Einsamkeit sind vielfältig wie die Menschen selbst. Für Einsamkeit gibt es dennoch eine Reihe von Risikofaktoren: Arbeitslosigkeit, Armut, Migrationshintergrund, Partnerlosigkeit, gesundheitliche Einschränkungen sowie objektive soziale Isolation gehören dazu. Doch bereits vor der Pandemie war das Problem der Einsamkeit in der Gesellschaft vorhanden. Die Corona-Maßnahmen haben es jedoch wesentlich sichtbarer werden lassen. 

Einsamkeit macht krank

In Befragungen geben rund 10 Prozent der Deutschen an, sich einsam zu fühlen. Das ist erst einmal völlig normal, denn jeder Mensch fühlt sich von Zeit zu Zeit einsam. Wenn das Gefühl von Einsamkeit allerdings über einen längeren Zeitraum anhält, dann ist das nicht nur für die psychische Gesundheit gefährlich, auch die Risiken für körperliche Erkrankungen wie beispielsweise Herzinfarkte, Schlaganfälle, Depressionen und sogar Demenz steigen. Das zeigen verschiedene Studien. Chronische Einsamkeit kann also zu einem echten Krankmacher werden und sogar lebensverkürzend wirken.

Der Psychologin Luhmann zufolge, wird Einsamkeit durch gegenwärtige Entwicklungen wie der Alterung der Bevölkerung, die Digitalisierung und den Klimawandel in Zukunft noch verstärkt werden.

Doch, was kann man dagegen tun?

In Großbritannien wurde bereits 2018 ein Einsamkeitsministerium ins Leben gerufen. Die damalige Premierministerin Theresa May begründete den Schritt zum politischen Kampf gegen die Einsamkeit im Januar 2018 mit der "traurigen Realität des modernen Lebens". Mehr als neun Millionen der knapp 66 Millionen Briten gaben einer Umfrage des Roten Kreuzes zufolge damals an, sich immer oder zumindest häufig einsam zu fühlen. Kurze Zeit darauf können Ärzte im Vereinigten Königreich Rezepte gegen Einsamkeit ausstellen, auf denen sie beispielsweise soziale Aktivitäten verschreiben. 2021 nimmt sich Japan das Vorgehen Großbritanniens zum Vorbild und bildet ebenfalls ein Einsamkeitsministerium. Tetsushi Sakamoto, der das Amt als zuständiger Minister übernahm, gab damals an, verschiedene Ministerien ressortübergreifend sowie zivile Organisationen koordinieren zu wollen. Japan reagierte damit auf die hohe Anzahl an Suiziden bei jungen Frauen.

Auch für Luhmann ist Einsamkeit ein politisches Thema. In ihrer Schrift fordert sie deshalb: "Politische Maßnahmen gegen Einsamkeit müssen auf allen politischen Ebenen ansetzen, von der Kommune über Länder und Bund bis hin zur Europäischen Union." Um auch in Zukunft Einsamkeit als gesellschaftliches Thema zu bewältigen, muss die Forschung dazu gefördert, ein Einsamkeits-Monitor eingerichtet, Betroffene, ehrenamtliche und hauptamtliche Organisationen, Politik und Wissenschaft vernetzt werden. Gut wäre zudem die Erschaffung einer/eines Einsamkeitsbeauftragten. Diese/r könnte die verschiedenen politischen Ressorts für das Thema sensibilisieren und deren Arbeit dazu koordinieren.

Das Projekt "Kompetenznetzwerk Einsamkeit", das Anfang 2022 seine Arbeit aufnahm und durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert wird, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.