01. September 2021 - Bei Patient*innen besteht eine hohe Nachfrage an Verfahren aus der Naturmedizin zur unterstützenden Therapie bei Krebs. Bislang jedoch fehlte es dafür an konkreten Empfehlungen für Ärzt*innen und andere Berufsgruppen im medizinischen Bereich. Diese Lücke soll durch die neue S3 Leitlinie "Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen" geschlossen werden. Sie ist damit das erste Nachschlagewerk für medizinische Berufsgruppen zum Einsatz von Naturmedizin als ergänzende Therapie für Krebspatient*innen. 

Leitlinie Komplementärmedizin in der Onkologie

Leitlinien in der Medizin sind als Entscheidungshilfen für medizinische Berufsgruppen ein entscheidender Bestandteil des Gesundheitssystems. Auf der Grundlage von Studienergebnissen werden verschiedene Therapien bewertet. Leitlinien geben somit konkrete Handlungsempfehlungen für Ärzt*innen und andere medizinische Gruppen für die Behandlung von Patient*innen.

Das Leitlinienprogramm Onkologie wird von verschiedenen Fachgesellschaften erarbeitet, die die gesamte medizinische Bandbreite an Krebstherapien genau prüfen. Die Leitlinie zur Komplementärmedizin wurde von 72 Expert*innen aus 46 Fachgesellschaften und Organisationen erarbeitet. Neben den Fachleuten waren bei der Konzeption der Leitlinie auch verschiedene Selbsthilfegruppen und Organisationen für Krebspatient*innen beteiligt.

Die Leitlinie ist in vier Blöcke unterteilt, in denen verschiedene Verfahren aus der Naturmedizin anhand der Studienlage bewertet werden: 

1. Medizinische Systeme: Akupunktur, klassische Naturheilverfahren, Anthroposophische Medizin, Homöopathie

2. Mind-Body-Medizin: Meditation, Tai Chi, Yoga, Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)

3. Manipulative Körpertherapien: Chirotherapie, Osteopathie, Cranio-Sacral-Therapie, Hyperthermie, Reflextherapie, Massagen, Sport

4. Biologische Therapien: Einsatz von Vitaminen, Mineralstoffen, spezielle Ernährungsweisen und Phytotherapie, insbesondere Misteltherapie

Die Datenlage aus klinischen Studien wird in der Leitlinie als nicht ausreichend gesichert beurteilt. Viele Studien haben nur eine geringe Anzahl an Proband*innen, sodass nach evidenzbasierten Kriterien die Wirksamkeit von komplementärmedizinischen Verfahren nicht abschließend belegt ist. Dies liegt daran, dass die Forschung zur Naturmedizin nicht über öffentliche Forschungsgelder finanziert wird. Trotz dieser Hindernisse für die Forschung, liegen für verschiedene Verfahren aus dem Bereich der Naturmedizin Daten aus Studien vor. Insbesondere im Rahmen der Verbesserung der Lebensqualität und der Reduzierung von Nebenwirkungen der Krebstherapie sind Verfahren aus der Naturmedizin wirksam.  

Naturmedizin als Ergänzung – Patientenzentrierte Krebsbehandlung

Aus der Leitlinie geht klar hervor, dass sich Patient*innen den Einsatz von Naturmedizin als Ergänzung zur Krebstherapie wünschen. Die Hälfte aller Patient*innen nutzt während der Krebserkrankung mindesten ein naturmedizinisches Verfahren. Bei Patientinnen mit Brustkrebs sind es sogar 90 Prozent, die mit oder ohne Absprache mit den behandelten Ärzt*innen auf Verfahren aus der Naturmedizin zurückgreifen. Da die Ausbildung von Ärzt*innen und anderem medizinischem Personal Verfahren der Naturmedizin nicht verpflichtend in ihre Ausbildungsordnungen einschließt, stehen Patient*innen oftmals allein mit ihrem Anliegen, Naturmedizin und Schulmedizin gemeinsam einzusetzen. Die Leitlinie zur Komplementärmedizin leistet somit einen wichtigen Beitrag, um Ärzt*innen einen Überblick über die verschiedenen Therapieverfahren zu geben und beratend an der Seite der Patient*innen für eine optimale Behandlung sorgen zu können. 

Fazit

Die erste S3 Leitlinie zur Anwendung von Naturmedizin bei Krebs zeigt deutlich, dass die drei Forderungen von weil’s hilft zentral für die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen im Gesundheitssystem sind. Die hohe Nachfrage an Verfahren aus der Naturmedizin bestätigt erneut den Wunsch von Patient*innen Naturmedizin, als Ergänzung zur Schulmedizin einzusetzen. Sichere und wirksame Verfahren in die Regelversorgung zu übernehmen, ermöglicht eine patientenzentrierte Behandlung. Um die Wirksamkeit und Sicherheit naturmedizinischer Verfahren zu erforschen, ist die Bereitstellung öffentlicher Forschungsgelder für die Naturmedizin unerlässlich. Die Aufnahme von Naturmedizin in die Ausbildung von Ärzt*innen und Beschäftigten im medizinischen Sektor ist die dritte Säule, die eine Behandlung auf Augenhöhe gewährleistet.