Klaus Holetschek plädiert für grundlegende Veränderungen

Unser Gesundheitssystem hat sich in Corona-Zeiten im Vergleich zu anderen Ländern als relativ stabil erwiesen – ist allerdings auf Kante genäht, konstatiert der frisch ernannte Staatssekretär im bayerischen Gesundheitsministerium Klaus Holetschek. Er sieht die Krise als Chance, um das Gesundheitssystem noch besser aufzustellen und die zutage getretenen Mängel grundsätzlich zu beheben. Das fängt bei der mangelnden Wertschätzung für die im Gesundheitswesen Tätigen an und führt zu sehr grundsätzlichen Fragestellungen: "Versündigen wir uns nicht an den Bürgerinnen und Bürgern, wenn wir zulassen, dass unser Gesundheitssystem die Zuwendung zum Patienten ökonomisch bestraft?” Will heißen: “Warum halten wir an den sogenannten DRGs (DRG = Diagnosis Related Groups) fest, obwohl wir aus vielen Studien wissen, dass diese das Personal in Medizin und Pflege in Teilen an den Rand der Verzweiflung treiben und Patienten mitunter schaden?” Es brauche stattdessen mehr Ganzheitlichkeit, weniger Geschwindigkeit und einen grundsätzlichen Perspektivenwechsel: “Warum denken wir Gesundheit eigentlich nicht auch einmal von den Leistungsempfängern her, statt immer nur von den Leistungserbringern? Und warum fördern wir letztlich Krankheit statt Gesundheit?” Holetschek scheut sich in seinem Plädoyer nicht vor radikalen, an die Wurzeln des Systems rührenden Vorschlägen und stellt scheinbar heilige Kühe in Frage: “Wird unser oft gerühmtes Prinzip der Selbstverwaltung nicht vielleicht doch überschätzt? Ist es, wenn wir ehrlich sind, nicht letztlich auf eine Schönwetter-Medizin ausgelegt?” Auch in Nicht-Krisenzeiten dürfe der Staat nicht auf seine Organisationshoheit und Steuerungsfunktion in der gesundheitlichen Daseinsvorsorge verzichten. Damit sei jedoch keineswegs ein staatliches Gesundheitssystem wie in Italien oder Großbritannien gemeint - Holetschek will etwas anderes: Er möchte, dass Patient*innen das Beste bekommen, was in Medizin und Pflege möglich ist und neuen Perspektiven, Ideen und Vorschlägen Raum geben: “Ich will einen Runden Tisch mit den relevanten Akteuren an dem die hier gestellten Fragen und viele andere so leidenschaftlich wie phantasievoll diskutiert werden.” Dabei gehe es immer auch um die Frage, was uns Gesundheit wert sein sollte und welche Formen des Wettbewerbs wir fördern und welche wir stoppen sollten.

“Die Bürgerbewegung weil’s hilft! begrüßt die Vorschläge von Klaus Holetschek ausdrücklich: “Es braucht in der Politik Menschen, die mutig sind und sich trauen, ganz neue Wege zu gehen”, sagt Dr. Stefan Schmidt-Troschke, Initiatior der Bewegung. “Auch als Bürger*innen bzw. Wähler*innen werden wir uns mit neuen Formaten deshalb in den gesundheitspolitischen Diskurs einbringen.” Ein Wettbewerb um die besten Ideen zur Zukunft des Gesundheitswesens? – Wir Patient*innen sind dabei!

Quellen

Die Tagespost.de, 09. August 2020
Augsburger Allgemeine.de, 29. Juli 2020