05. Juli 2022 - Wäre weil's hilft! ein Ort, wäre es vielleicht tatsächlich das Krankenhaus für Naturheilweisen in München. Denn hier wird unser Motto "Naturmedizin und Schulmedizin gemeinsam" tagtäglich gelebt und bei Patient:innen angewendet. Was das genau bedeutet, welche Verfahren zum Einsatz kommen und wie die Gesundheitspolitik das Ganze unterstützen könnte, darüber haben wir mit Dr. Robert Schmidt gesprochen. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Naturheilverfahren und Homöopathie und Ärztlicher Leiter des Krankenhauses für Naturheilverfahren. 

 

1. Was ist das Besondere am Krankenhaus für Naturheilweisen? 

Das Krankenhaus für Naturheilweisen (KfN) in München ist eine der größten Einrichtungen für eine stationäre integrative Versorgung im deutschsprachigen Raum mit 110 Betten. Integrativ bedeutet dabei "Schulmedizin" und wissenschaftsbasierte "Komplementärmedizin" gemeinsam, in einem jeweils individuell sinnvoll zusammengestellten Behandlungsplan. Jeder Patient, jede Patientin steht bei der Integrativen Medizin im Mittelpunkt mit Betonung von Gesunderhaltung und Aktivierung von Selbstregulationsmechanismen. Daher kann die Komplementärmedizin die Schulmedizin, die ihre Stärken vor allem in der Akutmedizin hat, wunderbar ergänzen.

Im KfN werden vor allem Patient*innen mit chronischen Erkrankungen aus nahezu allen schulmedizinischen Fachdisziplinen behandelt. Da diese etwa einmal pro Jahr für zirka 10-14 Tage stationär aufgenommen werden können und wir zudem über eine Krankenhausambulanz verfügen, können wir unseren Patient*innen eine langfristige komplementärmedizinische Behandlung im Sinne einer Integrativen Medizin anbieten. Als Fachklinik für Innere Medizin können wir aber auch internistische Akutpatienten und -patientinnen aufnehmen und sind an die Rettungsleitstelle München angeschlossen.

 

2. Welche Verfahren wenden Sie besonders häufig an?

Aus schulmedizinischer Sicht ist das KfN eine internistische Fachklinik, komplementärmedizinisch kommen vor allem die klassischen Naturheilverfahren nach Kneipp, die Ausleitenden Verfahren und die Homöopathie zum Einsatz. Zu den Ausleitenden Verfahren zählen vor allem Schröpfen, Blutegel, Cantharidenpflaster und Aderlass. Die klassischen Naturheilverfahren nach Kneipp setzen sich aus den fünf Säulen Ordnungstherapie, Bewegungstherapie, Phytotherapie, Ernährungstherapie und Hydro-/ Thermotherapie zusammen. Eine Sonderform der Hydro-/Thermotherapie ist die moderate Ganzkörperhyperthermie, bei der durch Zufuhr von Wärme von außen die Körperkerntemperatur auf maximal 40,5 Grad Celsius angehoben wird. Mit vier Heckel-Betten und drei Schlenzschen Überwärmungsbädern ist das KfN das größte Hyperthermie-Zentrum Deutschlands. Diese Art von "Fiebertherapie" moduliert unter anderem das Immunsystem, reguliert das vegetative Nervensystem, wirkt schmerzlindernd und sogar antidepressiv.

Es werden im KfN aber auch Elemente aus weiteren anderen komplementärmedizinischen Behandlungsansätzen integriert, wie zum Beispiel Neuraltherapie, mikrobiologische Therapie, Orthomolekulare Medizin oder Anthroposophie. Auf eine besonders große Vielfalt kann unsere Abteilung für Physikalische Medizin verweisen. Hier reicht das Spektrum von manueller Therapie über reflektorische Verfahren bis hin zum Einsatz osteopathischer Techniken, um nur einige Verfahren exemplarisch zu nennen.

 

3. Zu welchen Krankheitsbildern haben Sie die meisten Patient:innen und bei welchen haben Sie die größten Behandlungserfolge? 

Derzeit haben wir sehr viele Long-Covid-Patient:innen, deren Symptomatik oft große Ähnlichkeiten mit CFS/ME aufweist. In der Vergangenheit konnten wir schon vielen Patient:innen mit CFS/ME unterschiedlicher Genese gut helfen. Diese Eindrücke möchten wir nun objektivieren, sodass wir eine hausinterne Long-Covid Studie aufgelegt haben, bei der wir den Gesundheitszustand von Long-Covid-Patient:innen nach Aufenthalt im KfN für insgesamt sechs Monate nachverfolgen.

Schmerzpatient:innen aller Art stellen sicherlich die größte Patientengruppe im KfN. Die Ursache der Schmerzen reicht dabei von degenerativen Erkrankungen der Gelenke über Neuropathien bis hin zu Kopfschmerzsyndromen. Die Behandlung chronischer Schmerzen ist schon seit jeher eine Domäne der Komplementärmedizin. Zusammen mit der Ludwig-Maximilians-Universität München starten wir gerade auch eine Studie zur Wirksamkeit ambulanter moderater Ganzkörperhyperthermien bei Fibromyalgiesyndrom, einem generalisierten Schmerzsyndromen, bei dem wir im KfN durch die naturheilkundliche Komplexbehandlung besonders gute Behandlungserfolge erzielen.

Weitere große Patientengruppen sind onkologische Patient:innen, Patient:innen mit Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sowie Patient:innen mit Erkrankungen der Haut, wie zum Beispiel Neurodermitis oder Psoriasis. Dabei geht es immer nicht um eine Alternative zur Schulmedizin, sondern um eine sinnvolle Ergänzung, um Beschwerden zu lindern und Lebensqualität zu erhöhen. Unsere Motivation ziehen wir aus den Rückmeldungen von Patient:innen, die sehr glücklich sind über eine integrative Behandlungsmöglichkeit, die von allen Krankenkassen übernommen wird und auf die man immer wieder zurückgreifen kann.

 

4. ​Welche Unterstützung für Ihre Arbeit wünschen Sie sich von der Gesundheitspolitik sowie von der politischen Standesvertretung / den Ärztekammern? ​Was müsste sich ändern?

Um die Integrative Medizin zu fördern, sind wir auch berufspolitisch aktiv und haben, unter der Schirmherrschaft der Hufelandgesellschaft, die Liste Integrative Medizin Bayern (LIMed Bayern) gegründet, mit der wir bei den Delegiertenwahlen zur Bayerischen Landesärztekammer im November 2022 antreten werden. Auch in Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bremen und Hamburg gibt es Integrative Listen. Unser Ziel ist es, der Integrativen Medizin auch auf berufspolitischer Ebene eine Stimme zu geben, die bisher so nicht vorhanden ist, wie die zunehmende Verbannung der Homöopathie aus den Weiterbildungsordnungen derzeit deutlich macht.

Wichtig ist natürlich auch eine intensivierte Forschung auf dem Bereich der Komplementärmedizin, um die Grundlagen der evidenzbasierten Medizin erfüllen zu können, an denen sich auch die Komplementärmedizin messen lassen muss. Da mit der Erforschung tradierten Medizinwissens aber keine großen finanziellen Gewinne zu erwirtschaften sind, wäre diesbezüglich mehr staatliche Förderung wünschenswert. Um die oben genannten Ziele umzusetzen, bedarf es natürlich der Unterstützung durch die Bürger und Bürgerinnen, zum Beispiel über die Patientenvereinigung  "weil`s hilft!", aber auch durch die Politik, wobei wir in Bayern mit Herrn Holetschek einen Gesundheitsminister haben, der die Komplementärmedizin tatkräftig fördert.