23. Februar 2022 - Daniel Loy hat es gemeinsam mit drei weiteren Betroffenen geschafft, innerhalb von 28 Tagen die geforderten 50.000 Unterschriften für die Petition "Versorgung, Forschung und politische Unterstützung für ME/CFS-Betroffene!" zu sammeln. Es kamen sogar fast 100.000 dafür zusammen. Die Betroffenen leiden unter sogenannter Myalgischer Enzephalomyelitis, die auch als Chronisches Fatigue Syndrom oder Chronisches Erschöpfungssyndrom bezeichnet wird. Einer Erkrankung, die wegen ihrer Ähnlichkeit zu Long- und Post-Covid in den letzten Monaten mehr Aufmerksamkeit bekommen hatte, sonst aber eher unbekannt war - sogar unter Ärztinnen und Ärzten.

Sonja Kohl, Claudia Schreiner, Daniel Loy und Kevin Thonhofer sind selbst von ME/CFS wie die Abkürzung für die Erkrankung heißt, betroffen. Sie wollten weder ihre Lage noch die derzeitige Situation im Land weiter hinnehmen und riefen die Initiative #SIGNforMECFS-Petition ins Leben. Zur Petition hat der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 14. Februar 2022 getagt.

 

12 Jahre bis zur Diagnose

"Diese Petition ist ein Hilferuf" beteuerte Daniel Loy in seiner eindrücklichen Eingangsrede als Hauptpetent, in der er auch seine eigene Leidensgeschichte schilderte: "Ich hätte nicht geglaubt, dass es eine Krankheit gibt, die so gravierend ist, dass man am schweren Ende des Spektrums nicht nur dauerhaft bettlägerig, sondern auf künstliche Ernährung angewiesen, zu Kommunikation nicht mehr in der Lage ist, selbst geringste Sinnesreize wie Licht und Berührung nicht mehr ertragen werden können und das ganze ohne Ende, also gegebenenfalls Jahrzehnte lang. Dass aber zugleich für ME/CFS keine Behandlungsansätze zugänglich sind und darüber hinaus auch keine Versorgungsstrukturen vorhanden sind. Dass viele nicht einmal die dringende Notwendigkeit sehen, dass sich das ändern muss, weil ME/CFS einfach nicht ernst genommen wird." 

Das Problem: ME/CFS wird in Deutschland einfach nicht als schwere Erkrankung wahrgenommen, obwohl die Weltgesundheitsorganisation bereits seit 1969 ME/CFS als schwere neuroimmunologische Multisystemerkrankung aufgeführt und anerkannt hat. In Deutschland jedoch werden Betroffene oftmals als Menschen mit psychosomatischen Beschwerden oder zeitlich begrenzter Erschöpfung abgetan. Es sei das vernünftigste, auch in Hinsicht auf die Kosten, in Aufklärung und Forschung zu investieren, argumentierte Loy, der Jurist ist.

 

30 bis 40 Jahre mit dem Wissensstand zurück

Auf die Frage nach dem Stand der Wissenschaft zu ME/CFS und möglicher Therapien antwortete Frau Professor Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité, die als Expertin der Ausschusssitzung vor Ort war. Der Stand bis heute sei überhaupt nicht vergleichbar mit anderen ähnlich häufigen und schweren Erkrankungen. "Wir verstehen von dieser Erkrankung so viel, wie wir von anderen Erkrankungen vor 30 oder 40 Jahren verstanden haben", erklärt die Medizinerin, die auch Leiterin der Immundefekt-Ambulanz ist. "Wir haben hier einen enormen Nachholbedarf, die Mechanismen dieser komplexen Erkrankung besser zu verstehen." Es bedürfe dringender Unterstützung durch klinische Studien und bereitgestellter Gelder.

Auch wenn es am Tag der Anhörung noch keine Entscheidung zur Petition gab, sehen die Initiator*innen diese vor allem als Auftakt. "Uns war bewusst, dass man die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte nicht in einer Sitzung aufarbeiten kann", sagte eine der Initiatorinnen der Petition im Anschluss an die Sitzung. Von der Bundesregierung erhoffen sich die Petenten "eine breite Aufklärungskampagne über die Krankheit und eine dauerhafte Unterstützung der Betroffenen." Ganz konkret geht es um die Aufnahme der Krankheit in den Paragrafen § 116b SGB V. So soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Fachleuten sowie Gelder zur Forschung aus staatlichen Mitteln ermöglicht werden.

In Deutschland könnte es 250.000 Menschen mit ME/CFS geben, schätzt die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS

Die Anhörung zur Petition kann in der Mediathek des Deutschen Bundestages abgerufen werden. 

Der Dokumentarfilm "Die rätselhafte Krankheit - Leben mit ME/CFS" kann in der Mediathek von arte angeschaut werden.