25.November 2021 - Die zukünftige Regierung aus SPD, Grünen und FDP hat sich viel vorgenommen. Dem Koalitionsvertrag mit dem Titel "Mehr Fortschritt wagen" zufolge, will die Ampelkoalition ein Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sein. Doch was könnte das in Zukunft für Patient*innen bedeuten? weil's hilft! hat einige wichtige Punkte zusammengetragen.

Zu den Punkten Pflege und Gesundheit äußern sich die Koalitionäre explizit ab Seite 80 des am 24. November 2021 vorgelegten Vertrages. Darin heißt es: "Alle Menschen in Deutschland sollen gut versorgt und gepflegt werden - in der Stadt und auf dem Land. Wir wollen einen Aufbruch in eine moderne sektorenübergreifende Gesundheits- und Pflegepolitik und ziehen Lehren aus der Pandemie, die uns die Verletzlichkeit unseres Gesundheitswesens vor Augen geführt hat. Wir sorgen für eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung und eine menschliche und qualitativ hochwertige Medizin und Pflege. Wir verbessern die Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe und Pflegekräfte. Wir ermöglichen Innovationen und treiben die Digitalisierung voran. Grundlage für all dies ist eine auf lange Sicht stabile Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pflege."

Darüber hinaus wird das Gesundheitssystem als drittes von vier zentralen Zukunftsfeldern genannte. Es solle demnach "ein vorsorgendes, krisenfestes und modernes Gesundheitssystem, welches die Chancen biotechnologischer und medizinischer Verfahren nutzt, und das altersabhängige Erkrankungen sowie seltene oder armutsbedingte Krankheiten bekämpft", werden.

Budgetierung bei Hausärzten soll weichen

Ein Punkt der heraussticht, ist die geplante Aufhebung der Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich. Weiterhin heißt es: "Wir stellen gemeinsam mit den KVen (Krankenversicherungen - Anm. d. Red.) die Versorgung in unterversorgten Regionen sicher. (… ) Die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtern wir und bauen bürokratische Hürden ab." Die neue Regierung will zudem niedrigschwellige Beratungsangebote wie beispielsweise Ge­sundheitskioske, Gemeindeschwestern und Gesundheitslotsen fördern.

Reproduktive Selbstbestimmung

"Wir stärken das Selbstbestimmungsrecht von Frauen. Wir stellen Versorgungssicherheit her. Schwangerschaftsabbrüche sollen Teil der ärztlichen Aus- und Weiterbildung sein. Die Möglichkeit zu kostenfreien Schwangerschaftsabbrüchen gehören zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung. Sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern setzen wir wirksame gesetzliche Maßnahmen entgegen. Wir stellen die flächendeckende Versorgung mit Beratungseinrichtungen sicher. Schwangerschaftskonfliktberatung wird auch künftig online möglich sein. Ärztinnen und Ärzte sollen öffentliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen können, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Daher streichen wir § 219a StGB. Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen. Wir wollen die Forschungsförderung für Verhütungsmittel für alle Geschlechter anheben."

"Prävention vor Reha vor Rente"

Zu den Vorhaben im Bereich Prävention und Rehabilitation steht folgendes: "Wir machen längeres, gesünderes Arbeiten zu einem Schwerpunkt unserer Alterssicherungspolitik. Hierzu werden wir einen Aktionsplan 'Gesunde Arbeit' ins Leben rufen sowie den Grundsatz 'Prävention vor Reha vor Rente' stärken. Wir werden Rehabilitation stärker auf den Arbeitsmarkt ausrichten und die unterschiedlichen Sozialversicherungsträger zu Kooperationsvereinbarungen verpflichten." Gleichzeitig soll in der Zeit der Ampel-Regierung der Zugang zu Maßnahmen der Prävention und Rehabilitation vereinfacht und das Reha-Budget bedarfsgerechter ausgestaltet werden. Zudem soll der Ü45-Gesundheits-Check gesetzlich verankert und flächendeckend ausgerollt werden. Damit will die neue Regierung frühzeitig einer Erwerbsminderung entgegenwirken.

Gesundheitsförderung

Die Ampelkoalition will als Regierung das Präventionsgesetz weiter stärken und die Krankenkassen und andere Akteure dabei unterstützen, sich gemeinsam aktiv für die Gesunderhaltung aller einzusetzen. Geplant ist, einen Nationalen Präventionsplan sowie konkrete Maßnahmenpakete z.B. zu den Themen Alterszahngesundheit, Diabetes, Einsamkeit, Suizid, Wiederbelebung und Vorbeugung von klima- und umweltbedingten Gesundheitsschäden zu schaffen. Zudem soll zugunsten verstärkter Prävention und Gesundheitsförderung die Möglichkeiten der Krankenkassen, Beitragsmittel für Werbemaßnahmen und Werbegeschenke zu verwenden, reduziert werden.

Außerdem ist geplant, auf der Grundlage der "Erfahrungen der 77 Modellprojekte im Rahmen von 'RehaPro'" die präventive Gesundheitsförderung in den Jobcentern zu stärken. Unter dem Punkt Arbeits- und Gesundheitsschutz auf Seite 72 wird die psychische Gesundheit von Arbeitnehmer*innen angesprochen. Dieser will sich die neue Regierung besonders widmen und einen Mobbing-Report erarbeiten. "Vor allem kleine und mittlere Unternehmen unterstützen wir bei Prävention und Umsetzung des Arbeitsschutzes."

Reform der Krankenhausvergütung

Die Koalitionäre haben sich darauf geeinigt, in Zukunft die Mittel für Weiterbildung in den Fallpauschalen nur an die Kliniken anteilig auszuzahlen, die auch weiterbilden. Zudem sollen Ärztinnen und Ärzte so weitergebildet werden, dass auch medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche leichter verfügbar sind.

Ambulante und Stationäre Gesundheitsversorgung

Die zukünftig regierenden Parteien wollen das Nationale Gesundheitsziel "Gesundheit rund um die Geburt" mit einem Aktionsplan umsetzen, mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte evaluieren und einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt einführen. Zudem soll der Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle gestärkt und die Möglichkeit und Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken geschaffen werden. 

Geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention und in der Forschung sollen in Zukunft berücksichtigt, Diskriminierungen und Zugangsbarrieren abgebaut werden. Die Gendermedizin soll Teil des Medizinstudiums, der Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe werden.

Städtebau

Die Parteien geben an, zum Schutz der Gesundheit zukünftig die gesamte Lärmsituation berücksichtigen zu wollen. Sie wollen die Einführung einer Gesamtlärmbetrachtung prüfen. Diese könnte zum Beispiel die Belastungen aus Straßen-, Schienen- und Luftverkehr sowie von Industrie- und Gewerbeanlagen zusammenführen.

Und weiter: "Wir stärken die globale Gesundheitsarchitektur im Rahmen des One Health-Ansatzes. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) soll reformiert und gestärkt werden." 

"Zur wissenschaftlichen Beratung wird ein interdisziplinär besetzter wissenschaftlicher Pandemierat beim Bundesministerium für Gesundheit geschaffen."

(Bei der Darstellung der einzelnen Punkte handelt es sich um eine kleine Auswahl. Der Text hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.)