Naturmedizin ist genauso viel oder wenig eine Sache des Glaubens wie Schulmedizin. Denn Selbstheilungs- oder Placeboeffekte sind, unabhängig vom Behandlungsverfahren, therapeutisch erwünscht. Als medizinisch wirksam im engeren Sinne gelten aber nur Methoden, die in entsprechenden Untersuchungen besser als Placebos (Scheinbehandlungen) abschneiden. Solche Studien existieren im Bereich Naturmedizin genauso wie in der Schulmedizin und müssen in beiden Feldern vorurteilsfrei bewertet werden. Ein Beispiel:

Depressionen werden häufig mit synthetischen Antidepressiva behandelt. Der Großteil ihrer Wirkung beruht auf Placeboeffekten. [1] 35 Studien mit insgesamt ca. 7.000 Teilnehmern belegen, dass Johanniskraut besser als Scheinpräparate wirkt und weniger Nebenwirkungen verursacht als gängige Medikamente gegen Depressionen. [2][3]

Darüber hinaus spielt aber der Glaube an die Selbstheilungskräfte des Menschen in den verschiedenen Methoden der Naturmedizin eine wichtige Rolle. Zugrunde liegt eine positive Definition von Gesundheit, die neben der körperlichen auch die mentale Widerstandsfähigkeit mit einbezieht. Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky prägte hierfür den Begriff der Salutogenese, im Gegensatz zu dem in der Schulmedizin vorherrschenden Konzept der Pathogenese. So hat Glaube immer auch etwas mit Verbundenheit zu tun und damit, ob Menschen Vertrauen in die jeweilige Methode haben.

Unabhängig von den vielfältigen Belegen zur Wirksamkeit von Naturmedizin stärkt also der Glaube an ihre heilsame Wirkung und das Gefühl, die eigene Gesundheit durch verschiedene Verfahren selbst aktiv unterstützen zu können, die Widerstandskräfte gegen Krankheit. Beispiele hierfür sind Kneippsche Anwendungen oder Bewegungsübungen, wie Heileurythmie, Qi Gong etc.

 

[1] Kirsch, I.: Antidepressants and the Placebo Effect. In: Z Psychol. 2014; 222(3): 128–134. 

[2] Eric A. Apaydin, Alicia R. Maher, Roberta Shanman, Marika S. Booth, Jeremy N. V. Miles, Melony E. Sorbero, and Susanne Hempel: A systematic review of St. John’s wort for major depressive disorder

[3] Auch Johanniskrautpräparate sind nicht frei von Neben- und Wechselwirkungen. So kann bei gleichzeitiger Einnahme z.B. die Wirkung von Krebsmitteln oder anderen immunsupprimierenden (das Immunsystem unterdrückenden) Mitteln beeinträchtigt werden. Die Einnahme von Johanniskraut sollte deshalb immer mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin abgestimmt werden.