Mittlerweile existiert eine Fülle wissenschaftlicher Untersuchungen, die der Frage nachgehen, ob es Verbindungen zwischen dem Gebrauch von Antibiotika und bestimmten Erkrankungen gibt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Studien designbedingt keinen Aufschluss darüber geben können, ob Antibiotika die auslösende Ursache für die jeweiligen pathologischen Zustände sind. Sie beobachten lediglich einen Zusammenhang, der nicht direkt kausal begründet sein muss.

Antibiotikagebrauch, vor allem, wenn er wiederholt oder über längere Zeit stattfindet, ist laut neuster Forschungsbefunde assoziiert mit einem erhöhten Risiko für Asthma und Allergien (1), Depressionen und Angststörungen (2), kardiovaskuläre Erkrankungen (3), Rheuma (4), bestimmte Krebsarten (5), amyotrophe Lateralsklerose (6), Tod im Krankenhaus (7) usw. Einige Studien befassen sich zudem damit, wie sich Antibiotikagebrauch auf Antibiotikagebrauch auswirkt. Forscher konnten beispielsweise demonstrieren, dass die Wahrscheinlichkeit, Antibiotika einzunehmen signifikant erhöht ist, wenn man bereits früher Antibiotika eingenommen hat. (8) Hinzu kommt, dass der Konsum von Antibiotika mit einem erhöhten Risiko verbunden ist, dass spätere Antibiosen nicht mehr wirken. Dies gilt zum Beispiel für Kinder, die binnen 12 Monaten mehr als einmal Antibiotika wegen Atemwegsinfekten eingenommen haben. (9)

Wie stark die Antibiotikaexposition das Risiko, eine bestimmte Krankheit zu entwickeln, jeweils erhöhen mag, soll an dieser Stelle nicht im Detail analysiert werden. Entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild: Immer mehr Forschungsergebnisse dokumentieren, dass der Gebrauch von Antibiotika mit zum Teil gravierenden gesundheitlichen Nachteilen verbunden ist. Daher sollten sie so sparsam wie möglich eingesetzt werden.

Wofür werden Antibiotika angewendet?

Bei bestimmten Erkrankungen ist ein deutlicher Nutzen von Antibiotika überzeugend belegt, bei einigen, wie etwa Sepsis (Blutvergiftung) (10), sind sie sogar überlebenswichtig. Diese Krankheitsbilder machen aber nur einen Bruchteil der tatsächlichen Verschreibungen aus. Die bei weitem meisten Antibiotika werden für Infektionen der oberen Atemwege angewendet. Dies geschieht in vielen Fällen nicht nur ohne klaren wissenschaftlichen Nachweis ihrer Nützlichkeit, sondern teilweise trotz einer Fülle von Daten, die darauf hindeuten, dass sie eher schädlich sind. 

Eine systematische Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration etwa fand bei akuten Atemwegsinfektionen im Allgemeinen keine zufriedenstellende wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Antibiotika über Placebo hinaus. (11) Auch bezüglich einzelner Erkrankungen aus diesem Spektrum gilt Ähnliches: Für Bronchitis dokumentiert ein entsprechender Review einen, wenn überhaupt, sehr begrenzten Nutzen, der möglicherweise die Risiken durch unerwünschte Arzneimitteleffekte nicht aufwiegt. (12) Auch bei Nasennebenhöhlen- (13)  und Mittelohrentzündung (14) spricht eine datenbasierte Nutzen-Risiko-Abwägung gegen den vorschnellen Einsatz von Antibiotika.

Gerade bei Atemwegsinfektionen bietet die Naturmedizin kostengünstige und nebenwirkungsarme Alternativen zu Antibiotika: Eine neue Übersichtsarbeit klinischer Studien stellt beispielsweise fest, dass Honig bei Husten nicht nur wirksam, sondern sogar einer Standardbehandlung überlegen ist. (15) Bereits 2014 förderte eine groß angelegte Kohortenstudie zutage, dass Ärzte mit homöopathischer Zusatzausbildung bei Atemwegsinfektionen bei vergleichbaren Behandlungsergebnissen nur etwa halb so viele Antibiotika verschreiben, als ihre rein konventionell arbeitenden Kollegen. (16)

Antibiotika und das Mikrobiom

Warum haben Antibiotika negative Folgen für die Gesundheit? Neben den eingangs erwähnten Resistenzen, die im Ernstfall zum Versagen einer lebensnotwendigen antibiotischen Therapie führen können, beeinflussen Antibiotika den Organismus auch auf andere Weise nachhaltig negativ. Dies ist aus den referierten Daten ersichtlich, die Assoziationen zwischen Antibiotikakonsum und diversen Krankheitszuständen belegen.

Einer der Gründe für diese Problematik ist vermutlich die Schädigung des menschlichen Mikrobioms im Darm, die mit einer Antibiose einhergeht. Sensible Patienten spüren diese Nebenwirkungen einer antibiotischen Therapie direkt in Form von Symptomen im Magen-Darm-Trakt, wie z.Bsp. Durchfall. Während diese unerwünschten Effekte zumeist von selbst wieder verschwinden, wenn die Medikamente abgesetzt werden, gibt es jedoch auch langfristige Folgen: Gutartige Bakterien, die für eine gesunde Verdauung notwendig sind, sterben unter dem Einfluss von Antibiotika genauso ab, wie die pathogenen Mikroben, gegen die sich die Therapie eigentlich richtet. Das Mikrobiom erholt sich zwar teilweise wieder, jedoch sind antibiotikaresistente Bakterienstämme bei der Neubesiedlung des Darms im Vorteil gegenüber nicht-resistenten. (17) Somit verändert sich die Zusammensetzung der Darmbakterien mit jeder Antibiose in eine unerwünschte Richtung.

Neuere Untersuchungen zeigen darüber hinaus auf, dass die Veränderung des Mikrobioms im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Schwächung des Immunsystems steht, das durch die Antibiose aus dem Gleichgewicht gerät. So konnte etwa nachgewiesen werden, dass Patienten, deren Mikrobiom nicht intakt ist, schlechtere Chancen haben, Hepatitis-B-Viren zu eliminieren.(18) Andere Untersuchungen deuten darauf hin, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem bakteriellen Mikrobiom und dem Nervensystem besteht; man spricht von der Darm-Hirn-Achse.(19) Diese Verknüpfung von Organsystemen könnte dafür verantwortlich sein, dass Depressionen häufig mit einem durch Antibiosen gestörten Mikrobiom einhergehen.(20)

Fazit

Antibiotika haben langfristige, z. T. schwerwiegende Nebenwirkungen. Diese rühren zu einem wesentlichen Teil daher, dass das menschliche Mikrobiom durch eine Antibiose geschädigt wird. Wegen der mannigfaltigen Zusammenhänge der Bakterienbesiedlung im Darm, etwa mit dem Gehirn oder dem Immunsystem, erstrecken sich die negativen Effekte auch auf Bereiche, die lange Zeit nicht direkt mit dem Mikrobiom in Verbindung gebracht wurden. Immer mehr Forschungsbefunde belegen jedoch Zusammenhänge zwischen Antibiotikakonsum und so unterschiedlichen Erkrankungen wie Rheuma und Angststörungen. Diese Daten sollten, neben der Resistenzproblematik, ein weiterer gewichtiger Grund sein, Antibiotika nur dann einzusetzen, wenn es zwingend erforderlich ist. Der Großteil der Verschreibungen entfällt aber auf Erkrankungen, die in den meisten Fällen sehr gut mit Mitteln der Naturmedizin, wie etwa Phytotherapeutika oder Homöopathika, behandelt werden können. Der einzelne Patient / die einzelne Patientin und das Gesundheitssystem würden also langfristig deutlich davon profitieren, wenn die vorhandene Evidenz im Sinne einer Integrativen Medizin umgesetzt würde: So viel Naturmedizin wie möglich, so viel Schulmedizin wie nötig.

Literatur

[1] Pubmed, November 2020
[2] Pubmed, November 2015 
[3] Pubmed, Dezember 2019
[4] Springer, August 2019
[5] Pubmed, November 2008
[6] Pubmed, November 2019
[7] Pubmed, Dezember 2019
[8] Pubmed, August 2019
[9] Ncbi, September 2019
[10] Pubmed, März 2017
[11] Pubmed 2000
[12] Chochrane, June 2017
[13] Cochrane, September 2018
[14] Cochrane, Juni 2015
[15] Bmj
[16] Pubmed, März 2014
[17] Ncbi, Mai 2019
[18] Ncbi, Februar 2017
[19] Ncbi, April 2018
[20] Pubmed, Februar 2020