Der Blick rein schulmedizinisch arbeitender Ärzt*innen ist in der Regel auf die Symptome der Patient*innen gerichtet, gegen die dann jeweils die passenden Medikamente verschrieben werden. Je mehr Symptome auftreten, desto mehr Medikamente kommen folglich bei der Therapie ins Spiel. Um Nebenwirkungen bestimmter Wirkstoffe zu vermeiden, werden dann oft weitere Medikamente gegeben, die ebenfalls zu Nebenwirkungen führen können. In diesen Fällen spricht man von Polypharmazie oder Multimedikation, ein Phänomen, das besonders häufig bei älteren oder chronisch kranken Patient*innen auftritt. Zwar können schwerkranke Menschen dank heutiger Medikamente länger und besser leben. Doch mit der Zahl der Medikamente steigt auch das Risiko, dass Effekte auftreten, die gefährlicher sein können als die Erkrankung selbst. Unter Umständen können diese sogar tödlich verlaufen, wie verschiedene Studien aus den vergangenen Jahren zeigen. Nicht selten nehmen ältere Patient*innen gleichzeitig und dauerhaft durchschnittlich fünf bis zehn Medikamente ein, deren Langzeiteffekte und Wechselwirkungen kaum erforscht sind. Zudem vertragen 80-Jährige Wirkstoffe nicht mehr so gut wie 30-Jährige. 

Um dieses Problem und seine alarmierenden Ausmaße anzugehen, startete Anfang Februar dieses Jahres ein neues, interdisziplinäres Verbundprojekt: „POLAR_MI“ (steht für Polypharmazie, Arzneimittelwechselwirkungen und Risiken). Ziel der 21 Partnerinstitutionen ist es, die Versorgung von Patient*innen, die gleichzeitig mehrere Arzneimittel einnehmen, zu verbessern und somit die Arzneimitteltherapiesicherheit zu erhöhen. Dazu werden Daten aus den beteiligten 13 Universitätskliniken herangezogen, um zu ermitteln, wie häufig eine potenziell ungeeignete Medikation vorliegt und in welchen Risikogruppen das besonders oft vorkommt. Gefördert wird das Ganze mit knapp 5,5 Millionen Euro bis Mai 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.  

weil’s hilft! befürwortet jegliche Anstrengung, um die Risiken von Polypharmazie zu minimieren. Nichtsdestotrotz wollen wir ein stärkeres Bewusstsein dafür schaffen, dass eine ganzheitliche Sicht auf den Menschen, bewährte Verfahren der Naturmedizin sowie Veränderungen des Lebensstils helfen können, Polypharmazie im Ansatz zu vermeiden – das heißt die Anzahl konventioneller Medikamente zu reduzieren bzw. Nebenwirkungen zu vermindern. Das würde insbesondere älteren Patientinnen und Patienten sowie chronisch Kranken zu Gute kommen.  

Quelle 
aertzeblatt.de, 10. März 2020
deutschlandfunk.de, 29. September 2019 

 
Studien 
Die Auswirkung von Polypharmazie auf die Mortalität zeigen verschiedene wissenschaftlichen Arbeiten aus Spanien (2014)Korea (2016), den USA (2017) sowie England (2019)