Als Mikrobiom wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Körper besiedeln, bezeichnet. Mikrobiome rücken in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Forscher, allen voran das Mikrobiom des Darms. Die Zusammensetzung dieses Mikrobioms wird immer öfter mit Krankheit wie Allergien oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, kurz CED, in Verbindung gebracht.

Gemeinsam mit zahlreichen anderen sogenannten Umwelterkrankungen hat die Häufigkeit von CED in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. Eine mögliche Ursache sehen Forschende im massiven Rückgang der mikrobiellen Artenvielfalt des menschlichen Mikrobioms des Darms. Vermutet wird, dass die Verarmung durch die radikale Änderung der Lebensbedingungen in der westlichen Gesellschaft verursacht wird, die unter anderem von industriell hergestellten Lebensmitteln, umfassenden Hygienemaßnahmen, massiver Antibiotikanutzung und sozial isolierten Lebensweisen geprägt sind.

Die Forschenden gehen deshalb davon aus, dass die Interventionen, die zu einem gesunden Mikrobioms führen, in Zukunft helfen könnten, zahlreiche Erkrankungen zu verhindern. Aber wie sieht ein gesundes Mikrobiom überhaupt aus? Um diese Frage zu klären, richten die Wissenschaftler*innen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ihren Blick auf das Mikrobiom von ursprünglich lebenden menschlichen Gesellschaften und Tieren.

Stuhlproben von 28 verschiedenen Tierarten

Das Forscherteam untersuchte insgesamt 368 Hinterlassenschaften von 38 verschiedenen Tierarten. Die verschiedenen Stuhlproben wurden in sieben deutschen Zoos, darunter Hamburg, Berlin und Neumünster gesammelt. Die Forschenden verglichen die Proben sowohl untereinander als auch mit menschlichen Proben, indem sie darin enthaltenen Mikrobenarten per Genomsequenzierung bestimmten. In einem weiteren Schritt wurden dann jeweils die verschiedenen Zusammensetzungen von Mikrobiomen analysiert und den diversen Tierarten, die von Wiederkäuern bis hin zu Primaten reichten, zugeordnet.

Die Forscher*innen vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) stellten fest, dass das Vorkommen bestimmter Bakterienarten zum Beispiel bei einigen Affenarten aber auch beim Menschen zurückgeht und ihr Mikrobiom offenbar insbesondere in Anpassung an Veränderungen ihrer Lebensbedingungen verarmt. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift BMC Microbiology veröffentlicht.

Lebensweise beeinflusst das Mikrobiom bei Mensch und Tier

"Bei der Analyse der Mikrobiomdaten stellten wir zunächst fest, dass die Geografie keinen großen Einfluss auf die Bakterienbesiedlung des Darms zu haben scheint und die Zusammensetzung der Mikroorganismen weitgehend unabhängig vom Standort ist", sagt Erstautorin Dr. Corinna Bang, Leiterin des Mikrobiomlabors am IKMB. "Die Phylogenie, also die evolutionären Verwandtschaftsverhältnisse von Lebewesen - und damit auch das eigene Erbgut - spielt dagegen grundsätzlich die wichtigste Rolle für die Mikrobiomkomposition. Je näher verschiedene Arten miteinander verwandt sind, desto ähnlicher ist auch ihr Mikrobiom, denn es hat sich über lange evolutionäre Zeiträume weitgehend parallel entwickelt", so Bang weiter.

Unter gewissen Umständen kann es aber im Tierreich dazu kommen, dass dieser eigentlich bestimmende Faktor der Gene in den Hintergrund tritt und von den Auswirkungen spezieller Lebensbedingungen überlagert wird. Diesen Aspekt konnten die Forschenden nun genauer beleuchten, als sie die Mikrobiomdaten bestimmter afrikanischer Affenarten mit jenen von Affen aus Südamerika verglichen.

Obwohl sie relativ nah verwandt sind, weichen ihre Lebensweisen stark voneinander ab: Im Falle der afrikanischen Tiere leben sie in großen sozialen Verbänden am Boden, ihre südamerikanischen Verwandten leben, vor allem in Zoos, auf Bäumen in relativ isolierten Kleingruppen. Überraschenderweise spiegelten sich ihre gegensätzlichen Lebensweisen auch in deutlichen Unterschieden in der Zusammensetzung ihres jeweiligen Mikrobioms wider: "Die Unterschiede in der Lebensweise überlagern hier also den Einfluss der relativ engen Verwandtschaft. Konkret bedeutet dies, dass es bei den südamerikanischen Affen zu einem deutlichen Rückgang charakteristischer einzelner Bakterienarten im Vergleich mit den afrikanischen Tieren kommt. Wir vermuten, dass diese Verarmung ihres Mikrobioms mit ihrer vergleichsweise kontaktarmen Lebensweise zusammenhängt", erklärt Bang.

Parallele zur Verarmung des menschlichen Mikrobioms

In diesem Aspekt sehen die Kieler Forschenden eine wichtige Parallele zur Entwicklung des menschlichen Mikrobioms. "Der Verlust bestimmter Bakterienarten des Mikrobioms - insbesondere Spirochaeta und Prevotella, die bei der Verdauung ballaststoffreicher, pflanzlicher Nahrungsbestandteile helfen - ist nicht nur bei den südamerikanischen Affen, sondern auch beim Menschen zu beobachten. Diese übereinstimmenden Muster untermauern die Annahme, dass die Verarmung des Mikrobioms mit den schnell geänderten menschlichen Lebensbedingungen zusammenhängen könnte", betont Dr. Louise Thingholm, Bioinformatikerin am IKMB.

Der Übergang zur industriell und urban geprägten Lebensweise in der westlichen Welt hat in den vergangenen Jahrzehnten aus evolutionärer Sicht in sehr kurzer Zeit stattgefunden. Eine Hypothese der Forschenden ist daher, dass sich die menschlichen Mikrobengemeinschaften -nachdem sie sich wie im Tierreich über Jahrtausende nur wenig veränderten - an das abrupte Aufkommen des westlichen Lebensstils nicht mehr anpassen konnten. So sei der drastische Rückgang der mikrobiellen Vielfalt mit seinen zahlreichen gesundheitlichen Folgen zu erklären. "

Die Forschenden sind sich einig darüber, dass die fundamentale Aufgabe für die künftige Mikrobiomforschung sein wird, genau zu definieren, welche Bestandteile der ursprünglichen Bakterienbesiedlung des Körpers wiederhergestellt werden müssen, um bestimmte Mikrobiom-assoziierte Krankheiten zu lindern oder sogar zu vermeiden. Denkbar wären in Zukunft gezielte Eingriffe in das Mikrobiom als Therapie. Bei der Identifizierung von therapeutischen Zielen im Mikrobiom steht die Forschung jedoch noch am Anfang. Eine Mikrobiom-freundliche Lebensweise hingegen lässt sich bereits heute realisieren und besteht im Wesentlichen darin, die aus mikrobiologischer Sicht problematischen Aspekte des westlichen Lebensstils zumindest abzumildern und in vielfältiger Weise wieder mehr Kontakte mit Mikroorganismen zuzulassen. 

Passend hierzu der weils hilft!-Medientipp: https://www.weils-hilft.de/medientipps/wie-esse-ich-richtig-neues-aus-der-ernaehrungsmedizin