27. Oktober 2021 - Welche Bereiche sind für das theoretische Konzept "Gesundheit in allen Politikfeldern" besonders zu berücksichtigen? Wo gibt es bereits Ansätze, die Gesundheitsförderung als Querschnittsaufgabe in der kommunalen Politik zu verankern? Der zweite Teil zur Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe beleuchtet die drei Aktionsfelder Wohnort, Sozialpharmazie und patientenzentrierte Versorgung durch den Gesundheitskiosk.

Erkrankungsrisiko Wohnort

Städtebau und Umweltbedingungen haben großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Während Straßenlärm und ständige Beleuchtung den erholsamen Schlaf stören, führt Luftverschmutzung durch Feinstaubpartikel zu verschiedenen Erkrankungen der Atemwege, begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen und kann Allergien fördern. Eine Untersuchung des Zentralinstituts der kassenärztlichen Versorgung hat ergeben, dass insbesondere in großen Städten die Erkrankungshäufigkeit an Heuschnupfen bei Erwachsenen steigt. Luftverschmutzung ist ein globales Gesundheitsrisiko, verursacht über fünf Millionen vorzeitige Todesfälle und führt zu chronischen Krankheiten, wie das Max-Planck-Institut bestätigt. Der Wohnort und die Lebensbedingungen sind entscheidende Faktoren in der Gesundheitsförderung und müssen stärker in den Blick politischer Entscheidungen rücken.  

Sozialmedizin und Sozialpharmazie

Der Zugang zu medizinischer Versorgung und Arzneimitteln ist in Deutschland ungleich verteilt. Es besteht zwar eine Krankenversicherungspflicht, doch viele Menschen fallen durch das Netz der sozialen Sicherung. Eine Untersuchung aus dem Bereich Sozialpharmazie zeigt auf, dass gerade die Medikamentenversorgung bei sozioökonomisch benachteiligten Personen nicht ausreichend ist. Durch diese Unterversorgung verschlimmern sich die Krankheiten deutlich. Es existieren bereits ehrenamtliche Initiativen zur Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung. Doch im Sinne einer umfassenden Strategie zur öffentlichen Gesundheitsförderung müssen sozialpolitische Maßnahmen greifen, bevor Menschen in eine prekäre Lebenssituation geraten und aus der medizinischen Regelversorgung herausfallen.

Gesundheitskiosk – patientenzentrierte Hilfe vor Ort

Gesundheitsförderung in sozioökonomisch benachteiligten Stadtgebieten dauerhaft zu verankern, ist eine große Herausforderung. Der Mangel an Ärzt*innen sowie Sprachbarrieren bei Patient*innen gestalten die medizinische Versorgung oftmals schwierig. Das Modellprojekt "Gesundheitskiosk" in den Hamburger Stadtteilen Billstedt und Horn soll zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung vor Ort beitragen. Patient*innen erhalten dort eine Beratung zu Lebensstilveränderungen bei Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht und Diabetes. Zudem spricht das medizinisch geschulte Personal verschiedene Sprachen, sodass ärztliche Befunde und Verordnungen auch bei Sprachbarrieren verständlich werden. Besonders positiv zu betonen ist, dass die Mitarbeiter*innen im Gesundheitskiosk die Sprechende Medizin in den Vordergrund stellen und sich viel Zeit für die Patient*innen nehmen. Das Modellprojekt „Gesundheitskiosk“ ist ein großer Erfolg, da es deutlich zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung in den beiden Hamburger Stadtteilen beigetragen hat. Der Gesundheitskiosk als ein Baustein der Gesundheitsförderung sollte daher bundesweit in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen eingerichtet werden.

Die Beispiele zeigen, dass die vielfältigen Aspekte zur Erhaltung der Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzugehen sind. Gesundheitsförderung in allen Politikfeldern zu verankern, heißt die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger*innen in allen politischen Entscheidungen zu berücksichtigen. Soziale Gerechtigkeit, die Förderung wohnortbedingter Lebensqualität sowie die Etablierung von patientenzentrierter Versorgung vor Ort tragen zur Förderung von Gesundheit bei. Prävention liegt daher nicht mehr allein beim Einzelnen, sondern ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die zu einer gesunden Lebenswelt für alle beiträgt.