22. September 2021 - Während des letzten Jahres haben viele Menschen, auch aus Mangel an Alternativen, das Spazierengehen für sich entdeckt. Viele zieht es dafür in Wälder, Parks, über Wiesen oder Felder. Kein Wunder, denn der Aufenthalt in der Natur ist heilsam. Dabei muss es weder ein kilometerweiter Marsch noch eine mehrstündige Wanderung sein, um die positiven Effekte durch die Naturerfahrung zu spüren. Schon ein 20-minütiger Aufenthalt im Grünen reicht dafür aus, haben Forschende herausgefunden - allerdings nur, wenn man sich auch mit allen Sinnen dem Kontakt zur Natur hingibt.  

Für die Studie wurden 36 Probanden untersucht, die die Aufgabe hatten, mindestens drei Spaziergänge pro Woche mit einer Dauer von mindestens zehn Minuten zu machen. Vor, während und nach dem Spaziergang wurden die Cortisolwerte im Speichel der Studienteilnehmer gemessen. Die Probanden konnten zudem selbst bestimmen, wann, wo und wie lange sie sich in der Natur aufhalten wollten. Sie sollten ihr individuelles Naturerleben allerdings bei Tageslicht organisieren, dabei weder sportliche Übungen machen noch auf Social Media oder im Internet aktiv sein. Auch Telefonanrufe, Unterhaltungen und Lesen sollte währenddessen vermieden werden. Der Test dauerte acht Wochen.  

Dauer des Aufenthaltes und Art der Natur

Bereits in mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass der Aufenthalt in der Natur positive Wirkungen für Körper und Geist hat. Die Forschenden wollten nun mit ihrem Studiendesign etwas über die nötige Dauer und über die Qualität der Natur herausbekommen, die sich als wirksam zeigt. Sie fanden dabei heraus, dass bereits 20 Minuten ungestörtes Naturerlebnis ausreichen, um den Cortisolspiegel deutlich zu senken. Am meisten reduzierte sich das Stresshormon, wenn die Probanden zwischen 20 und 30 Minuten im Grünen verbrachten, ganz egal, ob sie dabei gingen oder nur im Grünen saßen. Auch bei denen, die sich noch länger im Grünen aufhielten, fielen die Konzentrationen der Stresshormone im Speichel noch weiter, wenn auch nicht mehr so rasant.  

Auch der Ort oder die Gegend für das wirksame Naturerlebnis kann variieren. Es muss weder der perfekte Mischwald sein noch der unverstellte Blick von einem Berggipfel. Wichtig zu sein scheint vielmehr, dass Menschen das von ihnen ausgesuchte Stück Natur pur mit ihren Sinnen wahrnehmen und genießen können, um von den positiven Effekten zu profitieren. Es gibt bereits andere Untersuchungen, die konkrete Hinweise dafür liefern, dass auch die Verdichtung von Straßenbäumen in Städten positive Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat. 

Die Forscher der University Michigan hoffen nun, dass ihre Ergebnisse die Wirksamkeit des individuellen Naturerfahrens deutlich hervorheben und dass in Zukunft Ärzte ihren Patient*innen die "Naturpille" verschreiben. Sie sei ein kostengünstiges therapeutisches Mittel zur Eindämmung der negativen Auswirkungen urbanen Lebens, das viele in geschlossenen Räumen und vor Bildschirmen verbringen, schreiben sie in der Veröffentlichung, die im Fachblatt "Frontier of Psychology" erschien.