2. März 2022 - Die bakterielle Zusammensetzung der Darmflora, auch als Mikrobiom bekannt, hat einen erheblichen Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen. Das ist bekannt. Dass Veränderungen darin sogar zu Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden oder Diabetes führen können, ist dagegen neu. Dem Team um die schwedische Bioinformatikerin Sofia Forslund ist es gelungen, die Veränderungen im komplexen Zusammenspiel der Darmkeime aufzuspüren, die entscheidend bei der Entstehung von weitverbreiteten Volkskrankheiten sind. Zudem wurde untersucht, welche Rolle verordnete Medikamente dabei spielen.

Das internationale Team mit 62 weiteren Forschenden identifizierte gleich mehrere Abweichungen im Mikrobiom des Darms, die an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt sind. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf die koronare Herzkrankheit, kurz KHK, gelegt. Sie gilt als häufigste Todesursache in westlichen Ländern. Bei KHK sind die Gefäße, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen, verengt. Das Herz wird in der Folge nicht mehr gut genug mit Sauerstoff versorgt. Als Ursache gelten Ablagerungen in den Blutgefäßen, die im Laufe des Lebens entstehen. Die aktuellen  Forschungsergebnisse, die in der Zeitschrift "Nature" veröffentlicht wurden, könnten die Grundlage dafür bilden, nun Maßnahmen zur Prävention von lebensgefährlichen Herzleiden zu finden.

Für die Untersuchung konnten die Forschenden insgesamt 1.241 Europäer*innen mittleren Alters finden, darunter gesunde Menschen und Patient*innen mit KHK in unterschiedlichen Stadien der Krankheit: mit einem akuten Koronarsyndrom, mit einer chronischen KHK oder einer KHK mit begleitender Herzinsuffizienz. Außerdem wurden Patient*innen ohne KHK und mit metabolischen Erkrankungen wie Adipositas oder Typ-2-Diabetes in die Untersuchung einbezogen. In Deutschland waren unter anderem das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) in Berlin und das European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg an der Studie beteiligt.

Akuter und chronischer Zustand

In einem weiteren Schritt analysierte das Team um Forslund Mikrobiom- und Metabolom-Merkmale, also alle charakteristischen Stoffwechsel-Eigenschaften, die spezifisch für die KHK und die drei untersuchten Krankheitsstadien sind - um exakte Diagnosen künftig zu erleichtern. "Zudem wollten wir herausfinden, inwieweit diese Signaturen mit einer Änderung der Medikation in Zusammenhang stehen", sagt Forslund. "Was uns bei all unseren Analysen besonders überrascht hat, war die Beobachtung, dass sich einige Auffälligkeiten, die wir im akuten Krankheitsfall finden, anscheinend bei chronischen Zuständen wieder normalisieren", berichtet die Forscherin laut einer Mitteilung des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC). Diese Abweichungen wolle sie sich noch genauer ansehen: "Sie zu beseitigen, könnte helfen, eine akut erkrankte Person zu stabilisieren."

Darüber hinaus rief Forslund aufgrund ihrer Ergebnisse zu Vorsicht bei künftigen klinischen Studien auf: "Viele der Signaturen, die wir gefunden haben, sind nicht spezifisch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen", sagte sie. Das müsse man bei weiteren Untersuchungen mit Patient*innen berücksichtigen. Forslund nahm auch die Grenzen ihrer aktuellen Arbeit wahr und sagte: "Da es sich um eine Querschnittsstudie handelt, können wir keine Kausalität nachweisen, sondern nur Assoziationen aufzeigen." Weitere Untersuchungen dazu sind nötig.