21. Juni 2022 - Wann bist du das letzte Mal umarmt worden? Und wie hat es sich für dich angefühlt? Den meisten von uns werden solche Fragen nicht gestellt und viele machen sich darüber kaum Gedanken. Dass Berührungen nicht nur ein Grundbedürfnis des Menschen sind, sondern auch gesundheitsfördernde Effekte haben, konnte bereits in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bochum haben sich nun die Frage gestellt, wie sich Umarmungen innerhalb einer Beziehung bei Stress auswirken. Sie sind bei ihrer Untersuchung zu einem Ergebnis gekommen, das selbst die Forschenden überrascht haben dürfte: Umarmungen innerhalb einer Beziehung lindern Stress bei den getesteten Frauen - allerdings nicht bei den Männern, die an der Untersuchung teilgenommen haben. Wieso es diesen geschlechtsspezifischen Unterschied gibt, können die Forschenden nicht klären.

Paare, Umarmungen und eiskaltes Wasser

Für die Studie hat das Forscherteam um Julian Packheiser insgesamt 38 Liebespaare rekrutiert und diese paarweise in zwei Gruppen eingeteilt. Alle Probandinnen und Probanden hatten die Aufgabe, eine Hand so lange wie möglich in eiskaltes Wasser zu tauchen und dabei in eine Kamera zu blicken. Mit diesem Belastungstest sollte bei den Studienteilnehmer:innen Stress ausgelöst werden.

Ein Teil der Paare sollte sich zudem vor dem Test kurz umarmen, der andere Teil hingegen nicht. Zudem wurde vor und nach dem Test der Spiegel des Stresshormons Kortisol im Blut der Studienteilnehmenden erhoben. Die Forschenden sahen: Bei den Teilnehmerinnen der Gruppe, die vorher umarmt hatten, war der Kortisolspiegel nicht so hoch wie bei den zuvor umarmten männlichen Partnern und wie bei den Paaren, die sich vor dem Kältetest nicht umarmt hatten. Gleichzeitig stellte die Forschergruppe fest, dass es keine Unterschiede beim Blutdruck und auch nicht bei der subjektiven Bewertung des Stresszustands bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern gab.

Hormone könnten Ursache sein

Weiterhin geht das Forscherteam davon aus, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede nicht auf eine unterschiedlich wahrgenommene Beziehungsqualität zurückzuführen sind, da es keine Unterschiede in der Beziehungszufriedenheit zwischen den getesteten Frauen und Männern gab. Denkbar für den überraschenden Geschlechtsunterschied könnten unterschiedliche Hormone und deren Wirkungen sein. "Eine denkbare Erklärung für diesen Geschlechtsunterschied könnte mit der unterschiedlichen Ausschüttung von Oxytocin bei Männern und Frauen nach der Umarmung zusammenhängen", schreibt das Team dazu im Fachjournal "PLOS ONE".

Was Stress ist, wie man mit ihm umgeht und welche gute Seite der sogenannte Eustress haben kann, erfährst du in unserer vierteiligen Stress-Serie. 

Teil  1: Stress ist mehr als eine individuelle Wahrnehmung

Teil 2: Die andere Seite von Stress: belebend und motivierend

Teil 3: Distress: Fast alles kann ein Stressauslöser sein

Teil 4: Stress erkennen, damit umgehen und ihn bewältigen